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Politik: Auf der Suche nach Stabilität

Schröder und der niederländische Premier sind einig über das Isaf-Kommando – obwohl ein neuer Bürgerkrieg droht

Von Elke Windisch, Moskau

Wenn es nach den beiden Regierungschefs geht, könnte von Anfang 2003 an ein deutsch-niederländisches Kommando die Internationale Schutztruppe in Afghanistan (Isaf) leiten. Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein niederländischer Amtskollege Jan Peter Balkenende hatten sich am Donnerstagabend in Berlin darauf verständigt. Schröder hatte nach dem Treffen betont, bei der Entscheidung müssten die Parlamente beider Länder respektiert werden – diese stimmen über Einsätze ihrer Soldaten im Ausland ab. US-Präsident George W. Bush sagte bei einer Konferenz über Hilfsmaßnahmen in Afghanistan am Freitag: „Deutschland hilft, indem es beim Aufbau des Polizeiapparates hilft.“

Bis zum Nato-Gipfel in Prag Ende November wollen Berlin und Den Haag nun ein „zufrieden stellendes Ergebnis“ vorlegen, kündigte Schröder an. Balkenende fügte hinzu, bei der Isaf hätten beide Länder eine „gemeinsame Position“. Nach Ansicht von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) müssen bei einer Übernahme aber mehr Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan. Die Größenordnung sei noch nicht klar, aber „es werden mehr dort runter müssen“, sagte Struck dem Fernsehsender Phoenix. Wenn die Bundeswehr zusätzliche Einheiten entsende, sei die „Grenze der Leistungsfähigkeit“ erreicht.

Kommt der gemeinsame Einsatz zu Stande, dann steht die neue Isaf-Leitung vor schwierigen Aufgaben. Denn in Afghanistan deutet vieles darauf hin, dass erneut ein Bürgerkrieg ausbrechen könnte: Die US-Operation „Enduring freedom“, die vor einem Jahr begann und dem nach dreißig Jahren Krieg zerrütteten Wüstenstaat zu Stabilität verhelfen sollte, war bisher kaum erfolgreich. Einen Teil der Schuld trägt, so paradox es klingt, die Führungsmacht der internationalen Anti-Terror-Koalition.

Denn für die USA hat ein Sieg über die Taliban und das Terror-Netzwerk Al Qaida Priorität. Die meisten Afghanen aber wollen einfach mehr Sicherheit, Arbeit und soziale Mindeststandards. Dafür bräuchte es eine starke Regierung gegenüber den Warlords. Die Macht von Präsident Hamid Karzai endet aber an den Stadtgrenzen Kabuls. Der Grund: Legitimitäts- und Akzeptanzprobleme. Denn nach Washingtons Einmischung in die Wahlen bei der großen Ratsversammlung sehen sogar Teile der größten Volksgruppe, der Paschtunen, ihren Stammesbruder als Marionette der USA. Zumal faktisch die Tadschiken der früheren Nordallianz um Verteidigungsminister Mohammad Kasim Fahim weiter die Macht in den Händen halten. Vor allem aus deren Einheiten rekrutiert sich die afghanische Armee. Deshalb, so westliche Diplomaten, will Washington keinen Ärger mit Fahim: Dessen Soldaten sollen amerikanische GIs bei der Terroristenjagd ersetzen.

Ursprünglich war die Aufgabe Truppen zugedacht, in die auch die Milizen der Warlords integriert hätten werden könnten. Weil Fahim das nicht will, investiert Washington erneut in Paschtunen-Warlords, die sich mit US-Hilfe schon während der Taliban-Herrschaft Privatarmeen von bis zu 30 000 Kämpfern aufbauten. Deren Loyalität ist fraglich. Experten warnen daher, der Frust über Washingtons Afghanistan-Politik würde Anti- Terror-Operation und Isaf-Einsatz gleichermaßen gefährden. Denn deren Kompetenzteilung kennt die Masse der Afghanen nicht.

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