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Politik: Auf die Einheit des Westens setzen

Von Wolfgang Schäuble

In ihrer letzten Kolumne hat Antje Vollmer die Initiative des Bundeskanzlers zur Herbeiführung vorzeitiger Neuwahlen beklagt. Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken teile ich nicht, auch nicht ihren Vorschlag, ein Selbstauflösungsrecht für den Bundestag einzuführen. Mir scheint, die Regelung des Grundgesetzes, nach der Bundeskanzler, Bundestag und Bundespräsident zusammenwirken müssen, bietet die bestmögliche Vorkehr gegen Manipulationen.

Dass Antje Vollmer traurig darüber ist, dass RotGrün sein Mandat vorzeitig zurückgeben will, kann ich zwar nachvollziehen, für unser Land scheint es mir dennoch die bessere Lösung zu sein. Die selbst gesteckten Ziele wurden auch nicht annähernd erreicht, und die Unterschiede zwischen dem von der SPD nun verkündeten Wahlprogramm und der so viel beschworenen Agenda 2010 belegen, dass man über den richtigen Weg in den eigenen Reihen zutiefst uneinig ist. Da ist es dann schon besser, unserem Land ein weiteres quälendes Jahr zu ersparen.

Am meisten aber habe ich mich an Vollmers Satz gestoßen, außenpolitisch habe „die rot-grüne Bundesrepublik einen fast legendären Ruf“. Das kann man wirklich ganz anders sehen. Die europäische Einigung steckt in einer der schwersten Krisen ihrer Geschichte, und die rot-grüne Regierung hat dazu vielfältige Beiträge geleistet. Das transatlantische Bündnis ist weiterhin schwer belastet. Unsere Nachbarn in Polen und den baltischen Staaten sorgen sich wegen törichter Aktionen, wie jüngst den Dreiergipfel in Kaliningrad, zunehmend über eine Achse Paris-Berlin-Moskau, und die Reduzierung der so notwendigen Reform der Vereinten Nationen auf das Streben nach einem ständigen deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat hat vorhersehbar auch eher in eine Sackgasse geführt. „Deutscher Weg“, Renationalisierung der Außenpolitik, Rücksichtslosigkeit gegenüber den kleineren EU-Partnern – das alles ist vielmehr Scheitern als Erfolg.

Auch im neuen Buch des Außenministers wird das deutlich, denn mit der von ihm verantworteten Regierungspolitik hat es wenig gemein. Am meisten fällt die Konzeptionslosigkeit im Hinblick auf die Globalisierung auf. Wer die Bereitschaft zu multilateraler Zusammenarbeit stärken will, muss auf die Einheit des Westens setzen. Dazu muss man diesseits und jenseits des Atlantik hardpower und softpower besser miteinander verbinden, genauso wie die Universalität der Menschenrechte mit dem Eintreten für Demokratie und dem Respekt vor kultureller und religiöser Vielfalt. Gerade erst haben uns die schrecklichen Anschläge in London wieder in brutaler Deutlichkeit vor Augen geführt, wie unterschiedslos die Staaten des Westens und ihre Bürger durch die Schattenseiten der Globalisierung, nämlich durch asymmetrische Kriegsführung und transnationalen Terrorismus, bedroht sind und wie unverzichtbar deshalb Einigkeit und gemeinsames Handeln im Kampf gegen diese Geißel unserer Zeit sind. Dazu braucht es ein starkes Europa, das auf die Zustimmung seiner Bürger bauen kann, und das mit seinen atlantischen Partnern eng verbunden bleibt und diesen zugleich für multilaterale Entscheidungen Vertrauen vermitteln muss.

Wie schwierig das ist, hat eben wieder das Treffen der G8 in Gleneagles gezeigt; aber es bleibt die beste Basis für dauerhaft gute Beziehungen auch zu Russland oder China. Nur gemeinsam kann der Westen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus bestehen und weltweit für mehr Sicherheit, ökologische Nachhaltigkeit und friedliche Entwicklung sorgen.

Wolfgang Schäuble ist stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion. Er schreibt die Kolumne im Wechsel mit Antje Vollmer und Richard Schröder.

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