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Politik: Auf die Nichtwähler kommt es an

Die Präsidentenwahl in Montenegro droht wieder zu scheitern

Für den zweiten Anlauf der Präsidentenwahl in Montenegro an diesem Sonntag wird die Zahl der Nichtwähler entscheidend sein. Ein erster Versuch, den Favoriten Filip Vujanovic in das höchste Amt zu wählen, war Ende Dezember an der geringen Wahlbeteiligung gescheitert. Der Parlamentspräsident und treue Gefolgsmann von Ministerpräsident Milo Djukanovic hatte zwar mit 83,9 Prozent einen klaren Vorsprung erreicht, scheiterte aber an der Mindestbeteiligung von 50 Prozent. Vujanovic zeigt sich vor dem zweiten Rennen gegen die zehn Mitbewerber erneut optimistisch: „Ohne Probleme werden wir diese Schwelle nehmen,“ sagt der Kandidat der regierenden Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS). Er hofft, dass die Geburt des neuen Staatenbundes Serbien-Montenegro seine Landsleute motiviert.

Doch Umfragen lassen eher ein erneutes Scheitern der Wahl erwarten. In den Staatsbetrieben werde nun politisch Druck gemacht, damit diesmal mehr Leute zur Urne gehen, berichten einheimische Journalisten. Wie schon im Dezember ruft die pro-jugoslawische Opposition ihre Anhänger zum Wahlboykott auf. Vujanovic und Djukanovic betreiben trotz ihrer Mitwirkung am neuen losen Staatenbund mit Serbien die Unabhängigkeit des kleinen Landes mit rund 600 000 Einwohnern, was in der Bevölkerung ein gespaltenes Echo findet. Die beiden hatten vor den erfolgreichen Parlamentswahlen die Positionen getauscht, und der bisherige Präsident Djukanovic war überraschend in das Amt des Regierungschefs gewechselt, das bisher Vujanovic ausübte.

Das politische Leben in Montenegro wird dezeit eher von einer Sexaffäre bestimmt. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Zoran Piperovic und drei weitere Beschuldigte waren Ende Januar überraschend aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Ihnen wird vorgeworfen, in Prostitution und Frauenhandel verwickelt zu sein. Eine Moldawierin, die angab, versklavt und misshandelt worden zu sein, hatte sie der Mittäterschaft beschuldigt. Doch kaum war die Kronzeugin in ihre Heimat zurückgekehrt, wurden die Beschuldigten freigelassen – wegen angeblicher Verfahrensmängel. Ob es noch zur Anklageerhebung kommt, ist ungewiss. Regierungskreise klagen über eine Schmutzkampagne der Opposition. Doch die EU-Botschafter in der serbischen Hauptstadt Belgrad drängen darauf, die Ermittlungen in dieser Affäre nicht im Sand verlaufen zu lassen.

Anders als in der größeren Republik Serbien dürfte aber auch ein Scheitern der Wahl nicht in die politische Krise führen. Die Regierungskoalition verfügt im Parlament über eine klare Mehrheit, um die Mindestbeteiligung für die Präsidentenwahl bald abzuschaffen. Im Mai könnte ein neuer Wahlgang ausgeschrieben werden. Bis dahin nimmt Parlamentspräsident Vujanovic den von ihm angestrebten Posten sowieso schon wahr.

Gemma Pörzgen[Belgrad]

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