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Politik: Auf ein Bier am Hackeschen Markt (Gastkommentar)

Vor zehn Jahren stellte die "Märkische Oderzeitung" in Frankfurt (Oder) einen Redakteur allein dafür ab, über Polen zu berichten. Eine langfristige Investition.

Vor zehn Jahren stellte die "Märkische Oderzeitung" in Frankfurt (Oder) einen Redakteur allein dafür ab, über Polen zu berichten. Eine langfristige Investition. Anfang der neunziger Jahre interessierten sich nur wenige Deutsche für die Nachbarn im Osten und ihre Kultur. Inzwischen profitiert die Zeitung von der Entscheidung: Immer mehr Deutsche aus der Grenzregion fahren nach Polen. Und längst nicht mehr nur, um billiger zu tanken und Zigaretten zu holen.

Vor einem Jahr führte eine Posener Zeitung eine neue Rubrik ein: das Kulturangebot in Berlin, verbunden mit Wegbeschreibungen, wie man etwa vom Ostbahnhof zu den Theatern und Museen gelangt. Sensation oder Normalität? Die Leser nahmen das Angebot dankbar an. Viele Posener nutzen heute das Berliner Kulturangebot. Noch erheblich näher liegen die Konzertsäle in Zielona Góra (Grünberg), Stettin und Gorzów (Landsberg) für Besucher aus Frankfurt (Oder). "Unten" wächst die Normalität - obwohl die EU-Außengrenze an Oder und Neiße immer noch eine trennende Barriere bildet. Kaum leichter zu überwinden ist die Sprachgrenze. Und an langlebigen Vorurteilen herrscht auch zehn Jahre nach der Wende kein Mangel.

Und "oben" - in den Höhen der Regierungspolitik? Die anfänglichen Verstimmungen zwischen dem Solidarnosc-Kabinett in Warschau und Rot-Grün in Berlin sind verflogen. Kanzler Schröder und Premier Buzek duzen sich. Dennoch sind ihre Begegnungen wie jetzt in Gnesen nicht problemfrei. Noch manche Minen der Vergangenheit liegen herum, die unerwartet explodieren können. So war es mit dem "Krieg der Resolutionen" beider Parlamente zur Vertreibung oder bei den Gesprächen zur Zwangsarbeiter-Entschädigung nach einer ungeschickten Äußerung Graf Lambsdorffs über polnische Saisonarbeiter in der deutschen Landwirtschaft.

Vor allem haben die Regierungen verschiedene Prioritäten. Und aus innenpolitischen Gründen ist die Neigung, darauf einzugehen, gering. Wann nennt man einen verbindlichen Termin für den EU-Beitritt, fragt man in Polen. In Berlin sondiert man lieber, wann die Rückführung der im Krieg verlagerten Kulturgüter vorankommt. Viele Polen haben Furcht vor einem Ausverkauf von Grund und Boden an die reichen Nachbarn. Und die Deutschen Angst vor einem Massenansturm östlicher Billig-Lohn-Arbeiter. Gipfel wie in Gnesen liefern keine Patentrezepte.

Der Fortschritt "unten" ist eher sichtbar. Die Bürger von Stettin oder Posen können problemlos übers Wochenende nach Berlin fahren und nach dem Museumsbesuch ein Bier am Hackeschen Markt trinken. Ebenso sind immer mehr Deutsche in den Kaffeehäusern in der Posener oder Stettiner Altstadt anzutreffen. Die polnischen und deutschen Normalbürger verständigen sich leichter beim Bier als Kanzler und Premier im politischen Salon. Und darauf - Prost!Der Autor ist Korrespondent der konservativen Zeitung "Zycie"

Przemyslaw Konopka

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