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Politik: Auf in den Krampf

Sein Sturz schwächt Rudolf Scharping auch als Wahlwerber für die SPD – nur in seiner Heimat Rheinland-Pfalz bleibt man ihm treu

Von Heidi Parade, Mainz

Im Nachhinein scheint es, als besäße der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hellseherische Fähigkeiten. Als er im Januar auf dem Landesparteitag zur Aufstellung der Landesliste zur Bundestagswahl eine Lobrede auf den damals bereits angeschlagenen Spitzenkandidaten Rudolf Scharping hielt, stellte er fest, das Amt des Verteidigungsministers sei möglicherweise das schwierigste im Bundeskabinett.

Ein halbes Jahr später ist Scharping das schwierigste Amt in der Regierung los. „Das mag so sein“, hatte Scharping damals auf Becks Einschätzung reagiert und in einem seiner seltenen Anflüge von Sentimentalität hinzugefügt: „Die Schwierigkeiten nehmen ab, wenn man in seiner Heimat ist und spürt, dass man dort gut aufgehoben ist.“

Auch heute ist der ehemalige Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzende bei seinen rheinland-pfälzischen Genossen noch relativ gut aufgehoben. Relativ gut, weil die Genossen im Wald- und Rebenland ihn angesichts seiner Verdienste für die Landespartei nicht wie der Kanzler gleich haben fallen lassen. Dass er freilich auch dort als angezählt galt, wurde Scharping aber auch schon auf jenem Listenparteitag im Januar bewusst, als er zum dritten Mal zur Nummer eins der Landesliste gekürt wurde: Fast zehn Prozent weniger Ja-Stimmen als 1998 – das war ein schmerzliches Signal.

Ein halbes Jahr später ist Scharpings Stern durch seinen Rauswurf aus dem Kabinett so tief gesunken, dass es zwischen Flensburg und Passau SPD-Regionalverbände gibt, die auf ihn als Wahlkampfredner keinen Wert mehr legen. In der SPD-Wahlkampfzentrale redet man entsprechende Terminveränderungen folgendermaßen schön: Scharping nehme verstärkt Veranstaltungen in Rheinland-Pfalz und in seinem Wahlkreis wahr. Auch die Landesverbände genieren sich offenbar, Terminabsagen zuzugeben. Bei einer Umfrage des Tagesspiegels hieß es meist, der Rheinland-Pfälzer sei von vornherein nicht eingeplant gewesen, oder er hätte, wie etwa in Bayern, seine Auftritte bereits vor seinem schwärzesten Tag absolviert. In Nordrhein-Westfalen will die Landespartei keine Informationen über Absagen haben, dafür aber aus einigen Gliederungen „Rückmeldung, dass man auch jetzt selbstverständlich Termine mit Scharping wahrnehmen will“. Aus Hessen-Süd verlautete, es gebe einen Termin im August, der allerdings in Berlin überprüft werde. Letzter Stand: unbekannt. In Rheinland-Pfalz aber bleibt alles beim Alten – keine terminlichen Veränderungen. Und in seinem Wahlkreis Montabaur treten nach Auskunft seines Bürgerbüros zu seiner Unterstützung planmäßig auch die Bundesminister Bodewig, Eichel und Bergmann, Generalsekretär Müntefering und Niedersachsens Regierungschef Gabriel auf.

Auch wenn die rheinland-pfälzischen Ge- nossen überwiegend mit Groll auf Scharpings Eskapaden reagiert haben, so stehen sie nach wie vor zu dem Gestrauchelten. Nicht nur seiner Verdienste für die Landespartei wegen. Scharping war auch als Einzelkämpfer in seinem eigentlich CDU-geprägten Wahlkreis erfolgreich. 1998 eroberte er dort das Direktmandat, was vor ihm bislang nur 1972 noch einem SPD-Kandidaten gelungen war. Auch wenn in der Landes-SPD durch seinen Sturz negative Auswirkungen auf das Abschneiden am 22. September erwartet werden, wird offiziell Optimismus gepredigt. Landtagsfraktionschef Joachim Mertes sieht den Wahlkampf durch den in Berlin geschassten Spitzenkandidaten der rheinland-pfälzischen SPD nicht belastet. Wieso auch? Helmut Kohl sei doch auch keine Belastung für die CDU.

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