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Politik: Auf keinen Fall ein zweiter Clinton (Kommentar)

In einem Jahr, am 7. November 2000, wird er gewählt - der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

In einem Jahr, am 7. November 2000, wird er gewählt - der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Jenseits aller Parteitaktik und Positionspapiere wird Amerika jenen küren, der sich als die zeitgemäße Verkörperung des guten alten amerikanischen Traums präsentieren kann. Bei den Kandidaten für die Clinton-Nachfolge sind daher zuallererst Authentizität und eine Antenne für die Befindlichkeit der Nation gefragt. Die Themen sind klar, die Personen auch, der Ausgang nicht. Der Wahlkampf wird zeigen, was Bill Clinton seinem Land hinterlässt. Es ist vor allem der Wille, keinen zweiten Clinton zu inthronisieren.

Amerika sucht einen Präsidenten, sonst tut Amerika nicht sonderlich viel. Clinton wird die Welt bereisen; sein Land wird Umfragen und Vorwahlergebnissen lauschen und den Scheidenden rasch aus dem Blick verlieren. Für die amerikanische Führungskraft wird das Jahr 2000 ein schlechtes sein: Nabelschau - falls keine unvorhergesehenen Weltkrisen hereinbrechen. Es geht um die Inneneinrichtung: Bildung und Steuern, Renten- und Krankenversicherung. Vier gute Kandidaten treten an. Alle sind Internationalisten. Kaum etwas ist für Europa wichtiger. Keiner der Aussichtsreichsten setzt auf Sonderwege und Abschottung. Die zwei führenden Republikaner, Gouverneur George W. Bush und Senator John McCain, präsentieren sich als unabhängige Reformer der Mitte. Bush, der Führende, ist dabei oft vage und kann noch immer über seine Unerfahrenheit stolpern. Ihm wird vorgehalten, Inhalte durch satte Spendenkonten zu ersetzen. Beide sind indes kompatibel. Maximal 1000 Dollar darf jeder Amerikaner im Vorwahlkampf spenden. Wenn Bush 70 Millionen einsammeln kann, drückt dies die Unterstützung von tausenden Durchschnittsbürgern aus, vor allem aber den Wunsch der Republikaner-Basis, endlich einen Konsens-Kandidaten mit Siegeschancen zu küren. McCain spricht durch sein resolutes Auftreten auch gegen die eigene Partei Unabhängige und Establishment-Gegner an; der Vietnam-Kriegsheld verschreckt durch sein barsches Auftreten und seine Affronts gegen die Parteidisziplin jedoch oft die Funktionärskaste seiner Republikaner. Kein Wunder, dass Volker Rühe sein bester Freund in Deutschland ist.

Bush und McCain stehen zwei Demokraten gegenüber, denen niemand die Eignung abspricht. Vizepräsident Al Gore und Ex-Senator Bill Bradley müssen indes aufpassen, dass sie durch überbordende neue Sozialprogramme nicht die Furcht vor idealistischer Umverteilungspolitik nähren. Für 15 000 Dollar im Monat hat Gore sich gerade die Weisheit der feministischen Schriftstellerin Naomi Wolf eingekauft, die ihm riet, aus dem "Beta-Mann" müsse endlich ein "Alpha-Tier" werden. Gore versucht zwar verzweifelt, zugleich jovialer und aggressiver zu wirken, doch erinnert er weiter an den strebsamen Schüler, der seine Lehrer um Sonder-Hausaufgaben bittet. Von wegen "Alpha-Tier"!

Gore hat Amerika noch nicht davon überzeugt, dass er mehr ist als nur geeignet und willig. Mit Fleiß ersitzen oder durch den richtigen Lebenslauf verdienen kann man sich das Weiße Haus aber nicht. Die Präsidentschaft will erkämpft werden. Charisma ist hilfreich, aber nicht allein entscheidend. Der Wille zur Macht und die Macht des Gestaltungswillens müssen das Volk betören. Bradleys nachdenklich-professorale Art wirkt dabei authentischer und neuer. Von Politik hat Amerika nach Clinton (und von Ideologie nach Reagan) wahrlich genug. Diese Stimmung bevorzugt McCain und Bradley. Die Parteimaschinen indes stehen hinter Bush und Gore. Es wird ein spannendes Jahr werden.

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