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Politik: Auf Kosten der anderen

Von Harald Martenstein

Vor ein paar Jahren stand überall geschrieben, dass der Standort Deutschland wegen unterbliebener Reformen am Ende sei und dass es uns allen in den nächsten Jahrzehnten immer schlechter gehen würde. Dann wechselten die Winde der Wirtschaft wieder einmal ihre Richtung, und nun tun viele plötzlich so, als ginge es mit der Superkonjunktur und dem fetten Wachstum ewig so weiter. Tatsache aber ist, dass es der Wirtschaft immer ein paar Jahre gut geht, dann wieder ein paar Jahre schlecht. So war es, seit ich denken kann. Warum können sich die Leute diesen Mechanismus nicht endlich mal merken?

Ich finde es irre, wie jetzt darüber diskutiert wird, wofür man das Geld verwenden könnte, welches aufgrund der unerwartet erfreulichen Wirtschaftslage unverhofft in die Kassen gespült wird. Steuersenkungen! Na, bravo. Bei der nächsten Krise, die so sicher kommen wird wie das Amen in der Kirche, erhöht man die Steuern halt wieder. Das ist immer so. Heute senkt man sie um zwei Prozent, morgen werden sie dann um drei Prozent erhöht.

Tatsache ist, dass Deutschland wegen seiner extremen Verschuldung (wir sind noch nicht Weltmeister, aber unter den Industrienationen in der Weltspitze) einen Großteil seiner Einnahmen gleich wieder für Schulden ausgibt und dass wir auf Kosten der kommenden Generationen unsere Partys feiern. Seit 1962 werden in jedem Jahr (einzige Ausnahme: 1989) neue Schulden gemacht. Alle reden über den Klimawandel, aber die Verschuldung vergiftet die Zukunft mindestens genauso. Tatsache ist, dass jemand, der in einer so positiven Lage wie der gegenwärtigen, nicht endlich damit beginnt, seine Schulden zurückzuzahlen, es niemals tun wird.

Man stelle sich jemanden vor, der 2000 Euro verdient, und jeden Monat 700 Euro für Zinsen hinlegen muss. Diese Person gewinnt im Lotto 20 000 Euro. Das Geld verwendet sie dazu, sich ein neues Auto zu kaufen. Die Schulden aber bleiben. So jemanden würde man für verantwortungslos oder gaga halten. Im Fernsehsender „Phoenix“ aber war der Wirtschaftsexperte Wolfgang Wiegard (SPD) zu sehen, Mitglied der sogenannten „Fünf Weisen“, der sagte, es habe keinen Sinn, überhaupt mit der Schuldenrückzahlung zu beginnen. Bis Deutschland schuldenfrei sei, würde es sowieso 300 Jahre dauern. Interessante Argumentation. Die Lage muss so schlecht werden, dass Rettungsversuche sinnlos erscheinen, dann ist man aller Sorgen ledig. Warum wenden wir dieses Rezept eigentlich nicht auch für die Umwelt und das Klima an?

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