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Auf Sieg gesetzt: Wie es in der Nach-Gaddafi-Ära weitergeht

Die Residenz Gaddafis fällt – das Land steht am Scheideweg. Schon jetzt ist klar: Nato und Vereinte Nationen werden beim Wiederaufbau in Libyen eine entscheidende Rolle spielen. Was plant der Westen für die Zeit nach Gaddafi?

Am Dienstagabend überschlugen sich die Ereignisse, als die Rebellen das Hauptquartier von Muammar al Gaddafi stürmten. Auch wenn zunächst unklar war, wo sich Gaddafi aufhielt, war das Ende seines Regimes zu diesem Zeitpunkt schon besiegelt. Sein Schicksal hatte nur noch symbolische Bedeutung. Längst befassten sich sowohl Libyens Übergangsrat als auch die Weltgemeinschaft mit der Frage, wie es in der Nach-Gaddafi-Ära weitergeht.

Welche Pläne hat die Nato für die Zeit nach Gaddafi?

Bereits am Freitag hatte der Nordatlantikrat die Militärs beauftragt, für die offensichtlich bald anbrechende Zeit nach Gaddafi in die Detailarbeit einzusteigen. Die Botschafter haben klare Voraussetzungen dafür definiert, dass die Nato auch dann noch in Libyen aktiv sein wird. Es geht um die Ausbildung von Sicherheitskräften und den Aufbau neuer militärischer Strukturen – so wie die Nato das mit vielen Partnerländern praktiziert. Das westliche Bündnis will die Führungsrolle an die Vereinten Nationen abgeben. Auch die Unterstützung durch die Nachbarländer sowie die Afrikanische Union gilt als zwingend. Verlangt wird zudem ein rechtlich wasserdichtes Mandat – entweder in Gestalt einer Anfrage der Übergangsregierung oder einer neuen UN-Resolution.

Wie sind die Kompetenzen zwischen UN und Nato geregelt?

Die Frage nach einem neuen Mandat der UN könnte sich sehr schnell stellen – wenn sich abzeichnen sollte, dass Gaddafis Truppen zwar offiziell geschlagen sind, Teile von ihnen aber in einer Art Guerillakrieg weiterkämpfen sollten. Die Militärführung um den kanadischen General Charles Bouchard soll daher in den nächsten Tagen prüfen, „wie groß die Widerstandsnester noch sind“, heißt es in Nato-Kreisen. Sollte die Übergangsregierung das Bündnis bitten, den Widerstand auszuschalten, gäbe es ein Problem: das ohnehin überdehnte Mandat, das eigentlich nur den Schutz der Zivilbevölkerung und eben keine Parteinahme vorsieht, geriete endgültig an seine Grenze. In Brüssel ist von einem möglicherweise notwendigen „Erzwingungsmandat“ die Rede.

Ein Sieg der Rebellen war nicht eingeplant. Das erschwert die Zukunftsplanung. Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Zwischen dem Nato-Sitz und dem der Vereinten Nationen glühen deshalb nun die Drähte, um die jeweiligen Planungen in Einklang zu bringen. Erschwert wird das offenbar dadurch, dass die Planer auf beiden Seiten viel Energie in Szenarios investiert haben, die einen Waffenstillstand zwischen Gaddafis Truppen und der Rebellenseite, aber nicht unbedingt deren militärischen Sieg einkalkulierten. Das UN-Hauptquartier hat deshalb signalisiert, es könne erst in drei Monaten das Kommando der Einsätze der internationalen Gemeinschaft in Libyen übernehmen.

Welche Rolle spielen Deutschland und die EU bei einem möglichen Wiederaufbau?

Nach einem Sturz Gaddafis dürfte sich die Rolle der Bundeswehr verändern. Bekannt ist, dass mehrere Nato-Partner verärgert waren über Deutschlands Nicht-Beteiligung am Kampfeinsatz und daher ein umso stärkeres Engagement erwarten – sei es beim Wiederaufbau des Landes oder im Rahmen einer UN-Blauhelmmission. Verteidigungsminister Thomas de Maizière, der wie Außenminister Guido Westerwelle vor allem von ökonomischer Hilfe sprach, steht aber bei den Partnern im Wort, auch eine Beteiligung an einer möglichen Friedenstruppe „konstruktiv zu prüfen“, wie er bei einem Ministertreffen Anfang Juni sagte.

Die EU als Ganzes ist in ihren Planungen schon konkreter, auch weil sie – während der militärischen Konfliktphase an den Rand gedrängt – nun eine sichtbare Rolle in dem Nachbarland spielen will. Dem Verbindungsbüro in der Rebellenhochburg Bengasi soll möglichst schnell eine Vertretung in der Hauptstadt Tripolis folgen. Die Delegation soll ihre Arbeit aufnehmen, sobald die Sicherheitslage es zulässt. Für den Aufbau einer unabhängigen Justiz, einer Zivilgesellschaft samt freier Presse und Wirtschaftshilfe stehen für die Region bis Ende 2013 bereits sieben Milliarden Euro zur Verfügung.

Wie positioniert sich Frankreich?

Triumph ist nicht angesagt, aber ein wenig Genugtuung schon. Am Montagabend telefonierte Staatspräsident Nicolas Sarkozy mit Mahmoud Jibril, dem Premierminister des libyschen nationalen Übergangsrats. Für den heutigen Mittwoch lud er ihn nach Paris ein.

Die Militärintervention der Nato hat mit fünf Monaten länger gedauert als geplant und ist Frankreich mit Ausgaben von 1,2 Millionen Euro pro Tag teurer als vorgesehen gekommen. Doch Sarkozy, auf dessen Initiative die UN-Resolution und der Beschluss zur Intervention zustande kam, hat sich weder von Rückschlägen noch von Kritikern beirren lassen. Zusammen mit dem britischen Premierminister David Cameron will er, sobald sich die Lage in Libyen stabilisiert, dorthin reisen. Im Kampf gegen Gaddafi konnte sich Sarkozy als entschlossener Staatsmann bewähren und Frankreichs angeschlagenes Image nach dem anfänglichen Zögern gegenüber der arabischen Revolution in diesem Teil der Welt reparieren.

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