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Politik: Auf Vaclav folgt Vaclav

Der neue tschechische Präsident Klaus hat mit seinem Vorgänger Havel wenig gemein. Er gilt als EU-Kritiker

Der tschechische Nationalheilige als Namenspatron ist so ziemlich die einzige Gemeinsamkeit, die sich beim tschechischen Ex-Präsidenten Vaclav Havel (66) und seinem 61-jährigen Nachfolger Vaclav Klaus ausmachen lässt. Dass Klaus wie Havel niemals Mitglied der Kommunistischen Partei waren, verbindet beide nur oberflächlich. Der als „Bürgersöhnchen“ von der Gymnasialbildung ausgeschlossene Havel ging als Mitbegründer der Oppositionsbewegung „Charta 77“ während der Ära des kommunistischen Regimes als politischer Gefangener sogar in den Knast. Den sprachgewandten Klaus – er spricht fließend Englisch, Russisch und gut Deutsch – hinderte die „innere Emigration“ in totalitären Zeiten nicht an einer Karriere als Finanzexperte. Bei aller Versöhnlichkeit hat sich Havel stets geweigert, „ewig gestrige“ Kommunisten auf dem Prager Hradschin zu empfangen. Seiner „Flexibilität“ gegenüber der orthodoxen Linken im Parlament verdankt Klaus jetzt seinen Einzug in die Präsidentenkanzlei.

Wer den Spalter der pluralistischen Wendebewegung Bürgerforum (OF) aus dem Jahr 1989 und Gründer der streng zentralistischen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) verstehen will, muss seine Titelsucht kennen. Der wortradikale Theoretiker des Neoliberalismus, der sein Credo jedoch in der praktischen Politik aus Machtkalkül nie umsetzte, scheiterte 1997 als tschechischer Ministerpräsident an einem Parteispendenskandal und verlor vier Jahre später nach einer Wahlniederlage auch das Amt des Parlamentspräsidenten. Als Partei-Chef der ODS trat der begeisterte Sportler Ende vergangenen Jahres ebenfalls zurück – bereits mit Blick auf das höchste Staatsamt. Doch wehe dem Journalisten, der den Hochschullehrer und vielfachen Ehrendoktor nicht wenigstens mit „Herr Professor“ ansprach. Unter den Tschechen wurde diese Bezeichnung zum Spitznamen des häufig arrogant wirkenden Mannes, der mit der gebürtigen Slowakin Livia Klausova verheiratet und Vater zweier erwachsener Söhne ist.

Mit penetrantem Selbstbewusstsein hat Klaus seit der „samtenen Revolution“ sein marktwirtschaftliches Heilsmodell zur Lösung aller Probleme verkauft. Wegen seines vehementen Eintretens für eine „Marktwirtschaft ohne Adjektive“ wurde er auch „Thatcher Mitteleuropas“ genannt. Doch wenn es der eigenen Ehre dient, vergisst der seine Grundsätze auch schnell mal. So ist der überzeugte Polarisierer zum Vermittler geworden, um sich einer Mehrheit von Parlamentsabgeordneten als neuer Präsident anzudienen. Bei Vaclav Havel war es umgekehrt. Hinter dessen Bescheidenheit, Selbstzweifeln und gelegentlich linkischem Auftreten verbargen sich Verantwortungsgefühl und Kompromisslosigkeit bis zur Selbstaufgabe.

Außenpolitisch zieht sich Kritik an der EU wie ein roter Faden durch die Biografie von Klaus. Mit Spannung wird in Brüssel die erste Bewährungsprobe des neuen Herrn in der Prager Burg verfolgt werden. Im Juni findet in Tschechien eine Volksbefragung über den EU-Beitritt statt, und die Werbekampagne der Regierung setzt auf ein Engagement des Präsidenten. Klaus äußerte mehrfach die Befürchtung, Tschechien könne in der EU „verschwinden wie Zucker im Kaffee“. Die EU-Sanktionen gegen die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung in Österreich nannte er „einen schweren Verstoß“. Auch mit der Nato legte sich Klaus an, als er 1999 die Bombardierung Jugoslawiens verurteilte.

Ulrich Glauber[Wien]

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