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Am Boden. Das Projekt des „Euro Hawk“ hat eine Bruchlandung erlitten. Das Foto zeigt ein Modell der Drohne; es entstand im Oktober 2011, als das unbemannte Aufklärungssystem auf dem Luftwaffenstützpunkt im bayerischen Manching der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Foto: Christof Stache/AFP

© AFP

Drohne „Euro Hawk“: Aufklärung – dringend gesucht

Im Debakel um die Drohne „Euro Hawk“ vermutet die Opposition, dass die Probleme lange bekannt waren.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Es ist der pure Zufall, der Franz Josef Jung an diesem Mittwochmorgen vor dem Sitzungssaal des Verteidigungsausschusses auftauchen lässt. Aber der Zufall wird sich was dabei gedacht haben. Drinnen im Ausschuss beerdigt die Bundesregierung gerade eins der prestigeträchtigsten Rüstungsprojekte der Bundeswehr. Die Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ wird es nie geben. Eine halbe Milliarde Euro Entwicklungkosten ist vorerst verpulvert. Jung war Verteidigungsminister, als die Regierung 2006 den Vertrag mit dem US-Hersteller Northrop Grumman und der EADS-Tochter Cassidian schloss. Doch der Hesse mag sich nicht in Haftung nehmen lassen. „Ich hab’ gar nichts unterschrieben“, wehrt Jung ab – das sei Sache des Staatssekretärs gewesen. Und der, nur so nebenbei, war in der SPD.

Die kleine Szene am Rande ist insofern typisch, als in dieser Angelegenheit keiner je irgendetwas unterschrieben haben will und wenn doch, dann nur in bestem Glauben an die Richtigkeit. Im Ausschuss grillen die Verteidigungsexperten den Staatssekretär Stéphane Beemelmans. Der Deutschfranzose ist seit zwei Jahrzehnten die rechte Hand von Thomas de Maizière. Er kann genau so knappe Sätze wie sein Minister. Diesmal bleibt Beemelmans besonders knapp.

Die Geschichte ist ja auch übel. 2001, noch unter Rot-Grün, kam die Bundeswehr zu dem Schluss, dass sie als Einsatzarmee die strategische Fernaufklärung nicht anderen überlassen kann. 2006 billigte die große Koalition die Entwicklung des „Euro Hawk“ auf Basis des US-Aufklärers „Global Hawk“. Seit Sommer 2011 steht ein Prototyp auf dem Luftwaffenstützpunkt Manching bei München.

Es gibt nur ein Problem: Das Gerät hat keine Zulassung als Luftfahrzeug. Es fehlen Einbauten wie eine Antikollisionsautomatik, vor allem aber fehlt es an Planunterlagen, die die Behörden für den Flug-Tüv brauchen. Und die Amerikaner machten klar, dass sie diese Zeichnungen nie liefern werden – sorry, secret, alles geheim. Damit wird der unbemannte Flieger unbrauchbar. Schon die Testflüge sind nur per Sondergenehmigung bei zeitweise gesperrtem Luftraum möglich.

Am Dienstag erklärte das Ministerium das auf insgesamt 1,2 Milliarden Euro veranschlagte Projekt für tot. Man habe – Beemelmans wiederholt die Formulierung auch im Ausschuss – „die Reißleine gezogen“.

Doch ob daraus für die Regierung eine sanfte Landung wird, ist alles andere als sicher. „Es ist nicht besonders heldenhaft, eine Reißleine nach dem Aufprall zu ziehen“, spottet der Grünen-Wehrexperte Omid Nouripour. Die Opposition hegt nämlich einen bösen Verdacht. Dass es nichts werden würde mit dem Spionagefalken, sei spätestens seit 2011 klar. Damals habe der Hersteller Northrop Grumman die Vertragspartner informiert, dass es mit der Zivilzulassung problematisch werde. Das Ministerium habe die fällige Entscheidung verschleppt und bis nach der Wahl verzögern wollen. Noch fordert nur die Linke den Rücktritt des Ministers. SPD-Wehrexperte Rainer Arnold findet es vorerst bloß vage an der Zeit, „dass man Verantwortung übernimmt“.

Beemelmans bemüht sich derweil um Schadensbegrenzung. Die Aufklärungstechnik selbst, von der europäischen EADS-Tochter Cassidian entwickelt, bleibe ja erhalten; der wahre Schaden liege nur bei etwa 250 Millionen Euro. Aber auf konkrete Fragen, in welches Flugzeug denn diese hochspezialisierten Geräte passen sollen und was das kostet, blieb der Staatssekretär die Antwort schuldig. „Die haben keinen Plan B“, staunt ein Verteidigungsexperte. „Die haben nicht mal ein Plänchen!“

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