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Gefragt. Kämpfer der Hisbollah werden bei einer Zeremonie vereidigt (hier ein Archivbild). Der Widerstand gegen Israel verschafft der Schiiten-Miliz viel Zulauf.

© dpa

Aufnahme auf EU-Terrorliste: Willkommen im Hisbollah-Freizeitpark

Der militärische Arm der Hisbollah kommt auf die EU-Terrorliste. Im Libanon aber pflegt die Miliz weiter ihr Image als Wohltäter. Mit Schulen, Kitas und einem Themenpark über den Erzfeind Israel. Ein Besuch.

Das Gesicht der Hisbollah-Miliz im Libanon ist freundlich. Hassan Najem sitzt neben einem zerstörten israelischen Panzer in der Sonne und lächelt: „Willkommen!“, sagt er zu den Neuankömmlingen und rückt seine Uniform zurecht. Najem ist Fremdenführer im „Wahrzeichen des Widerstands“ – einer Art Hisbollah-Themenpark in dem kleinen Dorf Mlita im Südosten des Libanon. Neben allerhand Kriegsgerät, Propaganda-Filmchen und Märtyrer-Folklore betreibt die „Partei Gottes“ hier auch eine Cafeteria, einen Souvenirladen und ein Kino.

Amerikanern ist der Besuch des „Museums“ offiziell verboten. Schon die Zahlung des Eintrittsgeldes von umgerechnet etwa zwei Euro gilt für die US-Regierung als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Am Montag hat nun auch die EU beschlossen, wenigstens den militärischen Arm der Hisbollah auf ihre Terrorliste zu setzen. Najem hat dafür kein Verständnis. „Manche glauben, wir sind Terroristen“, sagt er. „Dabei helfen wir den Leuten.“ Er zählt auf, wie viele Kitas, Schulen, Sportvereine und Jugendzentren die Hisbollah im Libanon betreibt. Alles richtig. Richtig ist aber auch, dass die Miliz seit dem Libanonkrieg mit Israel 1982 faktisch den Süden des Landes und die Hauptstadt Beirut kontrolliert. Etwas mehr als 1000 Hisbollah- Kämpfer sind auf der Seite von Baschar al Assad in Syrien im Einsatz. Auch geplante Anschläge auf israelische Einrichtungen in Zypern gehen auf das Konto der Schiiten. Die Hisbollah ist längst nicht mehr nur im Libanon aktiv. Und nicht immer aus humanitären Gründen.

Der Kampf gegen Israel eint die verschiedenen Gruppen

Hassan Najem führt eine Gruppe libanesischer Pfadfinderinnen in das Herzstück des Komplexes, der hoch oben auf einem Berg gelegen ist und dessen futuristisch anmutende Architektur immer von einigen Nebelschwaden umgeben ist: die Ausstellung. Die Mädchen, alle nicht älter als zehn Jahre, drücken sich die Nase an den Fensterscheiben platt. Dahinter sind die Ausweise getöteter israelischer Soldaten ausgelegt, Waffen, zerfetzte Uniformen. „Wir haben gegen eine Übermacht gekämpft und gewonnen“, erklärt Najem den Mädchen in ruhigem Ton. Der letzte bewaffnete Konflikt mit Israel endete im August 2006. Geblieben ist der Hass. Israel ist der geliebte Feind der Hisbollah. Und der Kampf gegen den jüdischen Staat eint die verschiedenen Interessengruppen im Libanon. Die schiitische Hisbollah hat es zumindest teilweise geschafft, sich im Widerstand gegen die israelische Besatzung als Verteidiger aller Libanesen – Schiiten wie Sunniten, Maroniten wie Drusen – zu profilieren. Nun nutzt sie dieses Image, um den schiitischen Einfluss im Land weiter auszubauen. Mitglied des libanesischen Parlaments ist die „Partei Gottes“, wie die Hisbollah übersetzt heißt, bereits.

Zur Schau gestellt. In einem Themenpark führt die Hisbollah Besuchern Kriegsgerät vor, das im Kampf gegen Israel erbeutet wurde. Foto: Reuters
Zur Schau gestellt. In einem Themenpark führt die Hisbollah Besuchern Kriegsgerät vor, das im Kampf gegen Israel erbeutet wurde. Foto: Reuters

© REUTERS

Bald soll es auch ein Schwimmbad geben - und Wasserrutschen

Vom Aussichtspunkt aus lässt sich nicht nur Mlita, sondern auch das gesamte Areal des „Wahrzeichens des Widerstands“ gut überblicken. Najem macht eine ausladende Handbewegung. „Das ist erst der Anfang“, sagt er stolz. 4500 Quadratmeter hat die Hisbollah bebaut. 60 000 Quadratmeter umfasst das angrenzende Gebiet, das ebenfalls dazugehört. „Es hat Millionen gekostet“, sagt Najem. Wie viel genau, will er nicht sagen. Nur, dass der Themenpark auch als Statement zu verstehen sei. Eher ein innenpolitisches Zeichen, das zeigen soll, was die Hisbollah zu leisten imstande ist. 300 000 Besucher kämen im Jahr, behauptet Najem. In Wahrheit dürften es etwas weniger sein. Allerdings: Die Anlage ist für hohe Besucherzahlen geplant. Der Parkplatz bietet Raum für 200 Autos und 20 Busse. Das Selbstbedienungsrestaurant kann hunderte Besucher gleichzeitig abfertigen. Bald soll ein Schwimmbad hinzukommen, erzählt Najem stolz. „Vielleicht ein paar Wasserrutschen“, sagt er. „Familien sollen hier einfach einen schönen Tag verbringen können und etwas über die Geschichte lernen.“

Nachgestellte Kriegsschauplätze

Über eine blutige Geschichte, die die Hisbollah hier effektreich zur Widerstandsfolklore verklärt hat. Das Museum ist auf dem Gelände eines ehemaligen Milizstützpunktes erbaut. Im Krieg gegen Israel starben auf libanesischer Seite seit 1980 mehr als 10 000 Menschen, Hunderte auf israelischer Seite. Die Schauplätze der Kämpfe hat die Hisbollah nachgestellt. Puppen in Tarnanzügen symbolisieren die Widerstandskämpfer. Ein Versorgungstunnel der Miliz wurde angeblich originalgetreu in den Fels gehauen. Die Stellen, an denen Märtyrer „in den Himmel

aufgefahren“ sind, wurden mit Schildern markiert.

Hisbollah-Chef über Lautsprecher

Allgegenwärtig ist auch die Stimme von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. Über Lautsprecher tönen seine Reden über das Gelände, in denen er immer wieder auch zu Gewalt gegen Israel und die USA aufruft. Sein Titel ist Generalsekretär der schiitischen Partei Hisbollah. Aus Sicht der EU, die ja nur den „militärischen Arm“ der Hisbollah als Terrororganisation ächtet, also eine legitime politische Organisation. Auch Hassan Najem sieht das so. Nur macht er keinen Unterschied zwischen Kämpfern der Hisbollah und den Politikern.

Die Hisbollah sammelt Spenden in einer patronenförmigen Box. Offiziell für das Museum.
Die Hisbollah sammelt Spenden in einer patronenförmigen Box. Offiziell für das Museum.

© Sidney Gennies

„Wir engagieren uns gemeinsam für einen freien Libanon“, sagt er mit seinem gütigen Lächeln. Geld verlangt er für seine Führung nicht. Er deutet nur auf eine Spendenbox: „Für das Museum“, sagt Najem. Die Box hat die Form einer Patronenhülse.

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