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Der Hamburger Spitzenkandidat Jörn Kruse an der Seite von AfD-Chef Bernd Lucke.

© dpa

Aufregung um die AfD in Hamburg: Der Versprecher

Seit Sonntag steht AfD-Politiker Jörn Kruse in scharfer Kritik, weil er in Bezug auf die Anschläge in Paris eindeutig die falschen Worte wählte - aus Versehen. Ein Bericht von einem aufgeheizten Wahlkampfauftakt in Hamburg.

400 Leute sitzen in einem Saal zwei Treppen unter der Erde mitten in Hamburgs Innenstadt. Die Türen sind geschlossen und werden von streng dreinblickendem Sicherheitspersonal bewacht. Die Stimmung ist aufgeheizt. Der Raum auch. Draußen vor den Glastüren des Emporio-Hauses stehen Hundertschaften der Polizei im tosenden Wind und lassen niemanden mehr ein, der nicht Mitglied der AfD ist. Unten im Saal ist das Bild gemischt. Etwa ein Dutzend Leute im Studentenalter haben es geschafft, einen Platz zu ergattern und zu zeigen, was sie von dem halten, wofür die Redner, die vorn auf der Bühne den Wahlkampfauftakt der AfD in Hamburg bestreiten in ihren Augen stehen: rechte Politik, Demokratiefeindlichkeit, Homophobie, Ausländerfeindlichkeit.

Der Spitzenkandidat der AfD macht den Anfang – Hans-Olaf Henkel, Bernd Lucke und Dirk Nockemann sollen folgen. Und dann ist er da, der Moment im Keller, der für Empörung oben in der Öffentlichkeit sorgt. Jörn Kruse spricht über das Attentat von Paris. Ein Video, das seit Sonntag kursiert und über das verschiedene Medien berichtet haben, zeigt Kruse auf der Bühne. Er sagt, dass er Schreckliches erwartet habe. "Leider ist es viel früher passiert, als ich gehofft habe." Er macht eine kleine Pause, merkt, dass da etwas in dem Satz hakte, dass er sich im Redemanuskript verhaspelt hatte und die Kurve nicht gekriegt hatte. Durchs Publikum geht ein Raunen, dann ein Johlen, auch Applaus. Das Video bricht ab.

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Das Video ist nicht gefälscht. Kruse hat das so gesagt. Und wer nur diesen Ausschnitt sieht, muss in den Protest mit einsteigen und sich empören. Wer im Raum war, weiß aber, dass der Spitzenkandidat versucht hat, den offenbar nicht beabsichtigten Eindruck zu korrigieren. Und er hat eine ganze Menge mehr gesagt. Er sei „außerordentlich bewegt“ durch die Ereignisse. Er habe gehofft, dass der Kelch an uns vorübergehen würde. Er habe zu seiner Frau an Silvester gesagt, dass er hoffte, im Jahr 2015 würden uns keine Anschläge treffen. Manches mehr. Wer da war, weiß auch: Das Klatschen des Publikum bezog sich ziemlich eindeutig auf die Gesamtaussage zu Paris, nicht auf diesen Satz, den ein AfD-Mitglied gleich einen „Freudschen Versprecher“ nannte. Das Johlen kam aus den Reihen der Kritiker, weil man glaubte, den Gegner demaskiert zu sehen.

Die Verkürzung zeigt nicht die ganze Wahrheit. Wir sollten nicht denjenigen Futter geben, die die Presse Lügen schelten. Zur Wahrheit gehören aber auch Sätze, die Kruse im späteren Verlauf seiner Rede sagte und die für mehr Jubel und mehr Protest sorgten als der Versprecher, der vielleicht ein Freudscher war: „Das Attentat von Paris ist leider ein fatales Beispiel für die vier M – 1. Männlich, 2. Migrant 3. Muslim und 4. Misserfolg.“ Oder „Was in einigen Männer-Hirnen schiefgelaufen ist, dass sie ihre Frauen zwingen, als schwarzes Monster durch die Gegend zu rennen, erschließt sich mir nicht", sagte er als er ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen forderte.

Kruse ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Vor seinem Eintritt in die AfD war er von 1968 bis 1993 Mitglied der SPD.

Stephanie Nannen

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