zum Hauptinhalt

Politik: Aufruf genügt

Ein Minimum an Planung – und trotzdem demonstrieren Hunderttausende für den Frieden. Manche Schule reagiert pikiert und fordert jetzt Bußgelder von den Schülern

Von Matthias Meisner

„Unbändig“ sei die Friedensbewegung gerade, sagt Manfred Stenner. Und wer sollte das besser wissen als er: Als Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative koordiniert Stenner von einem Büro in einem Bonner Hinterhof aus seit 14 Jahren den Protest gegen Krieg und Wettrüsten. Hektische Tage sind das auch für einen erfahrenen Friedensaktivisten. Stenner gibt zu, dass der Überblick zurzeit leicht zu verlieren ist: Rund 350 Aktionen verzeichnete das Netzwerk am Tag des Kriegsausbruchs. „Wahrscheinlich“, so schätzt Stenner, „waren es viermal so viele.“

Längst hat sich das Profil der Friedensbewegung verändert. Das „ZK“, wie Stenner den alten „Koordinierungsausschuss“ der Friedensbewegung ironisch nennt, gibt es nicht mehr. Anfang der 90er Jahre hatte die Friedensbewegung noch zwei Großdemonstrationen in Bonn organisiert – 1991 gegen den Golfkrieg, im Jahr darauf für den Erhalt des Asylrechts. Seitdem beschließt die Organisation nicht mehr selbstständig über Aktionen, sondern sieht sich als „Nahtstelle“ der Kontakte zwischen verschiedenen Protest-Gruppen. Kommuniziert wird zumeist über das Internet, dort lassen sich auch aktuelle Termine abrufen.

Doch die Friedensbewegung lebt – in Deutschland und weltweit. „Viele Leute haben kapiert, dass der Irak-Krieg in der islamischen Welt den Hass auf den Westen neu erzeugt“, sagt Stenner. Hunderttausende gehen auf die Straße. Am Freitag demonstrierten die Menschen in Tokio „für Weltfrieden und gegen Krieg“. Im indischen Srinagar riefen Demonstrantinnen: „Tötet nicht irakische Kinder! Sie töten nicht eure!“ Vor dem Oberkommando der US-Streitkräfte in Europa in Stuttgart beteiligten sich rund 150 Leute an einer Blockade, die nach eineinhalb Stunden von der Polizei geräumt wurde.

Stenner ist besonders erfreut über Aktionen in den USA – wie jene am Donnerstag in San Francisco, wo Aktionen des zivilen Ungehorsams begannen, Demonstranten den Verkehr aufhielten und einen „Stopp der Bombardements“ forderten. Zeigen diese doch, dass die Friedensbewegung keine anti-amerikanische Bewegung ist, auch wenn sie sich sehr wohl „gegen die Arroganz der USA als Supermacht“ richtet. Mit Losungen wie „Kein Blut für Öl“ zogen Tausende auch etwa in Chicago und Boston durch die Straßen. Vielerorts verließen Schüler den Unterricht und Studenten ihre Vorlesungen. In mehreren Städten nahm die Polizei Kriegsgegner fest.

Vieles passiert spontan, besonders die Schülerproteste und auch Friedensgebete in den Kirchen. Und einige müssen für ihren Protest auch Sanktionen fürchten: Manchem Schüler, der nach Kriegsausbruch auf die Straße ging, droht jetzt ein Vermerk im Zeugnis, in Köln soll das Fernbleiben vom Unterricht sogar Bußgelder bis zu 173 Euro kosten. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Wolff (CDU), sieht das Thema Irak-Krieg im Unterricht sowieso besser aufgehoben als auf Schüler-Demonstrationen zur Unterrichtszeit. „Demonstrationen von Schülern sollten besser nach Schulschluss stattfinden“, sagt sie.

Die Friedensbewegung in Deutschland ist „sehr bunt“, sagt Stenner, enge organisatorische Verbindungen sind verloren gegangen. Ärzte gegen den Atomkrieg, Attac, Berliner Friedenskoordination, Pax Christi, der Friedensratschlag Kassel, Umweltverbände, Gewerkschaftsjugend – viele wollen etwas gegen den Krieg tun. Zentrale Demonstrationen sind nicht mehr so einfach zu organisieren wie früher. Oft muss erst ausgehandelt werden, dass Protestwillige ihre Aktionen zusammenlegen. Am 29. März sollen dennoch möglichst viele zentral Präsenz gegen den Krieg zeigen. Neben einem Protestmarsch in Berlin ist zur Blockade der US-Airbase in Frankfurt/Main aufgerufen.

Das Netzwerk im Internet:

www.friedenskooperative.de

MEINUNGSSEITE

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false