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Politik: Aufschwung durch Niedriglohn

Das Wort Konjunkturprogramm will die Regierung vermeiden, denn ein solches würde die Opposition schnell kurzatmig nennen. Und doch will die rot-grüne Koalition neue Reformen, um den Arbeitsmarkt in Schwung zu bringen.

Von Matthias Meisner

Das Wort Konjunkturprogramm will die Regierung vermeiden, denn ein solches würde die Opposition schnell kurzatmig nennen. Und doch will die rot-grüne Koalition neue Reformen, um den Arbeitsmarkt in Schwung zu bringen. "Nur noch Propaganda" im Wahlkampf werde nicht ausreichen, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Werner Schulz. Auch SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sieht im Bereich des Arbeitsmarktes "Potenzial, das besser ausgeschöpft werden muss".

Kommende Woche wollen SPD und Grüne auf Klausurtagungen über konkrete Vorschläge beraten. Im Mittelpunkt der Überlegungen bei den Grünen steht die Forderung, den Niedriglohnsektor auszuweiten. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag erläutert Schulz, mit mehr Teilzeit-Arbeitsplätzen ließen sich Verkrustungen auf dem Arbeitsmarkt aufbrechen. Auf der Klausurtagung der Grünen in Wörlitz (Sachsen-Anhalt) will er gemeinsam mit den Haushalts- und Arbeitsmarktexperten gestaffelte Zuschüsse zur Sozialversicherung für Geringverdiener zur Diskussion stellen. "Das wird nicht den durchschlagenden Effekt haben, die Arbeitslosenzahl auf 3,5 Millionen zu senken", sagt Schulz in Anspielung auf die von Kanzler Gerhard Schröder ursprünglich angepeilte Zahl. Aber die Förderung des Niedriglohnsektors könne dennoch auch 2002 noch "einiges bringen".

Der Grünen-Wirtschaftspolitiker erwartet, dass die Bundesregierung ihren Teil beiträgt, um den Kapazitätsabbau in der Bauindustrie besser zu überbrücken - etwa mit Hilfe des Stadtumbauprogramms Ost. "Hier könnte der Bund kräftige Anschubimpulse geben. Wir müssen der lahmenden Konjunktur in den neuralgischen Bereichen auf die Sprünge helfen." Im Detail sollen nach den Vorstellungen der Grünen die gestaffelten Zuschüsse zur Sozialversicherung auf Einkommen bis 869 oder 920 Euro (1700 oder 1800 Mark) ausgedehnt werden - als Anreiz zur Arbeitsaufnahme jenseits der 322-Euro-Grenze (630 Mark). Die Arbeitsmarktexpertin der Grünen, Thea Dückert, schlägt daneben vor, Sozialhilfeempfängern 50 Prozent Zusatzverdienst ohne Leistungseinbußen zu erlauben. Auch eine "Entbürokratisierung bei den 322-Euro-Jobs" sei notwendig, wird sie von den "Bremer Nachrichten" zitiert: Meldeverfahren zu den Sozialversicherungen könnten etwa vereinfacht werden, um den Arbeitgebern eine Papierflut zu ersparen.

Was davon mit der SPD zu machen ist, bleibt zunächst offen. Arbeitsminister Walter Riester (SPD) ist dagegen, alle Jobs zwischen 322 und 920 Euro mit Zuschüssen attraktiver zu machen. In der SPD wird über die Möglichkeit diskutiert, das derzeit in Rheinland-Pfalz erprobte Kombilohnmodell - das so genannte "Mainzer Modell" - im gesamten Bundesgebiet anzuwenden. Dort werden Sozialbeiträge der Arbeitnehmer zwar auch bezuschusst, aber gezielt nur für vormalige Sozialhilfeempfänger oder Arbeitslose. "Mit der Ausweitung dieses Modells gibt es genügend Spielräume für einen Niedriglohnsektor", meint der SPD-Sozialpolitiker Klaus Brandner. Doch auch er weiß: In den Modellregionen in Rheinland-Pfalz hat das "Mainzer Modell" keine überwältigenden Erfolge gebracht.

Sicher ist: Getan werden muss etwas. Wegen der hohen Arbeitslosenzahlen will die Bundesregierung noch im Januar auch in einer Sitzung des Bündnisses für Arbeit eine Ausweitung staatlicher Zuschüsse für den Niedriglohnbereich diskutieren lassen. "Mit heißer Luft werden wir uns nicht begnügen können", sagt Grünen-Politiker Schulz.

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