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Zehntausende nahmen in Kamischli an der Trauerfeier für den ermordeten Kurdenführer Meschaal Tammo teil.

© Reuters

Aufstände in Syrien: Kurden protestieren nach Mord an Oppositionellem

Das syrische Regime geht nach dem Scheitern der UN-Resolution noch härter gegen Opposition vor. Am hellichten Tag wurde der oppositionelle kurdische Politiker Meschaal Tammo ermordet. Außenminister Westerwelle reagiert mit Bestürzung.

Unmittelbar nach dem Scheitern der UN-Resolution gegen Syrien aufgrund des Vetos von Russland und China hat das Regime in Damaskus seine Brutalität gegen die Opposition deutlich verschärft. Am Samstag folgten schätzungsweise 50 000 aufgebrachte Menschen in der nordsyrischen Stadt Kamischli dem Sarg des tags zuvor ermordeten kurdischen Politikers Meschaal Tammo und skandierten Parolen gegen das Regime.

Der 53-Jährige war am helllichten Tag von vier maskierten Killern in seinem Haus erschossen worden. Das lokale syrische Koordinationskomitee warf den Machthabern vor, Oppositionelle jetzt gezielt „physisch liquidieren“ zu wollen. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete den Tod Tammos, gab aber an, er sei von Unbekannten aus einem Auto heraus erschossen worden.

Aus Protest gegen die Ermordung haben Demonstranten in Europa syrische Botschaften und Konsulate besetzt. In Berlin protestierten etwa 30 Demonstranten vor dem Gebäude, 24 gelangten ins Innere der Botschaft, wie eine Polizeisprecherin sagte.

Syriens Außenminister Walid Muallem drohte am Sonntag allen Staaten „mit harten Maßnahmen“, sollten sie den kürzlich in Istanbul gegründeten „illegitimen“ Syrischen Nationalen Übergangsrat (SNC) anerkennen. Staaten des Westens, darunter Frankreich und die USA, haben die Gründung des Rates begrüßt. Im Gegensatz zum Übergangsrat in Libyen haben sie dem Nationalrat jedoch keine Anerkennung angeboten.

Meschaal Tammo war Mitglied im SNC und Sprecher der Kurdischen Zukunftspartei, die sich für ein Ende der Diskriminierung ihrer Landsleute einsetzt, aber keine Abtrennung der Kurdengebiete von Syrien anstrebt. Das Opfer war erst wenige Wochen vor seinem Tod nach dreieinhalb Jahren Haft entlassen worden. Auf dem Weg zum Friedhof schoss die Polizei auf den Trauerzug, nach Angaben des Senders Al Arabiya kamen dabei mindestens fünf Menschen ums Leben, mehrere wurden verwundet.

In Damaskus wurde zudem der prominente Oppositionelle und frühere Parlamentsabgeordnete Riad Seif auf offener Straße brutal zusammengeschlagen. Ein Amateurvideo zeigt den 64-Jährigen bei der anschließenden Untersuchung durch einen Arzt, sein Rücken ist rot und blau, die Arme von den Hieben stark geschwollen. Riad Seif war einer der führenden Intellektuellen des Damaszener Frühlings und gehörte zu den Mitunterzeichnern der sogenannten Damaskus-Erklärung von 2005, die einen demokratischen Wandel für Syrien forderte. Der prominente Dissident saß unter Baschar al Assad wegen seiner Überzeugungen über sechs Jahre lang im Gefängnis.

Lesen Sie auf Seite 2: Wie Außenminister Guido Westerwelle reagiert.

Außenminister Guido Westerwelle reagierte mit Bestürzung auf die Ermordung Tammos. „Er hatte den Mut, ein neues Syrien zu fordern, das auf Freiheit, Demokratie, Toleranz und Menschenwürde gründet, und war zu einem Vorbild für viele Syrer geworden. Dafür musste er nun mit seinem Leben bezahlen“, erklärte Westerwelle am Wochenende in Berlin. Meschaal Tammo sei „ein weiteres Opfer eines brutalen Regimes der Recht- und Gesetzlosigkeit“. Deutschland werde sich mit seinen Partnern weiterhin mit aller Kraft für die Menschen in Syrien einsetzen. Am Montag werde sich der Rat für Außenbeziehungen der EU mit Syrien befassen.

Derweil begann nach Informationen des Netzwerkes Avaaz erneut ein großes Armeeaufgebot mit 200 Panzern und zwei Dutzend Artilleriegeschützen, die Stadt Homs anzugreifen. Einzelne Stadtviertel wurden abgeriegelt. Internet- und Telefonverbindungen sind unterbrochen. In Homs konzentrieren sich Einheiten der „Freien Syrischen Armee“, die aus abtrünnigen Soldaten bestehen. Die Kämpfe zwischen loyalen und desertierten Truppen waren in letzter Zeit immer häufiger und heftiger geworden. Erst vergangene Woche war die syrische Armee mit großer Übermacht in das Städtchen Rastan eingerückt, wo sich ebenfalls mehrere hundert fahnenflüchtige Soldaten verschanzt hielten. Nach der Eroberung der Stadt wurden bei Razzien 3000 Menschen festgenommen. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in Syrien seit Beginn der Unruhen 2900 Menschen gestorben, darunter über 130 Kinder.

Präsident Baschar al Assad erklärte am Sonntag bei einem Treffen mit den Außenministern Venezuelas und Kubas, er wolle „politische Reformen“ sowie die Zerschlagung „bewaffneter Banden“, die das Land ins Chaos stürzen wollten.

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