zum Hauptinhalt
Gegen Korruption und für Reformen demonstrieren auch diese Frauen.Foto: dpa

© dpa

Politik: Aufstand gegen Pakistans Regierung

Hunderttausende belagern die Hauptstadt, Prediger ruft zur Revolution auf – und das Oberste Gericht lässt den Premier festnehmen.

Neu-Delhi - „Dies ist eine demokratische Revolution“, donnert der Mann mit der weißen Kappe, der hinter Panzerglas spricht. Und die Menge jubelt. Hunderttausende Menschen protestieren seit Dienstag mitten in Pakistans Hauptstadt Islamabad gegen die Regierung. Angeführt werden sie von einem feurigen Sufi-Gelehrten, der sich fast über Nacht zum Revolutionshelden der Atommacht aufschwang. Sein Name: Tahirul Qadri.

Der 61-Jährige hat einen Massenaufstand „gegen die Plünderer von Islamabad“, losgetreten, der die Regierung stürzen könnte. Zumal der Prediger, wohl nicht zufällig, auch noch Beistand vom Obersten Gericht bekam: Überraschend ordnete dieses am Dienstag die Festnahme von Premierminister Raja Pervez Ashraf wegen alter Korruptionsfälle an – und destabilisierte die Regierung weiter.

Nur wenige Monate vor den geplanten Neuwahlen im Mai steht das Land damit vor einer Machtprobe: Qadri will nicht ruhen, bis die Regierung von Präsident Asif Ali Zardari, der auch die Regierungspartei PPP führt, zurücktritt. Die PPP warf ihrerseits dem Gericht und dem Militär vor, gemeinsam die Regierung stürzen zu wollen.

„Pakistan bebt“, titelten TV-Sender im Nachbarland Indien. Gerüche überschlugen sich, dass der Premier nach Dubai geflohen sei. Ihr Wahrheitsgehalt blieb unklar. Am Morgen war es zu kleineren Krawallen gekommen, doch später blieben die Proteste friedlich.

Sorgen um die Atombomben des Landes muss sich der Westen kaum machen. Selbst wenn die Regierung stürzt, wird die Atommacht nicht führungslos sein.

Das Schauspiel dürfte dann auf einen „Coup light“ hinauslaufen. So fordert Qadri, dass eine Interimsregierung aus Technokraten eingesetzt wird, an der auch das Militär beteiligt ist. Sie soll den politischen Saustall aufräumen, korrupte Politiker ausschließen und erst nach diesen Reformen Neuwahlen einläuten. Wann das ist, weiß jedoch keiner.

Das Ganze scheint ein fein eingefädeltes Drama, bei dem das Militär, die Justiz und vielleicht auch die USA heimlich die Regie führen, obgleich sie es natürlich empört abstreiten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Militär schon lange die Nase voll von der Zardari-Regierung hat. Doch auch mit Oppositionsführer Nawaz Sharif werden weder Militär noch die USA warm.

Eine vom Militär dirigierte Übergangsregierung könnte daher beiden gelegen kommen. So war Qadri erst im Dezember nach sieben Jahren aus Kanada zurückgekehrt. Kaum im Lande, startete er eine breite Werbekampagne, um gegen die Regierung zu mobilisieren. Bis heute bleibt er Antworten schuldig, woher die Mittel dafür stammen. Aufhorchen ließ auch, dass er Teile seiner Rede in Englisch hielt, um die Welt anzusprechen.

Qadri vertritt durchaus Ziele, die dem Westen gefallen müssten: Mutig verurteilt er Terrorismus und Extremismus. Das wagt kaum noch ein Politiker in Pakistan, weil es schnell das Leben kosten kann. Bereits seit Jahren setzt sich Qadri mit seiner Organisation Minhaj ul-Quran (Der Weg des Koran) für Harmonie zwischen den Religionen ein. Wütend prangert er die Korruption der Eliten an.

Doch er spaltet das Land, weil viele ihn für einen Strohmann halten, der lediglich den Generälen durch die Hintertür wieder an die Macht verhelfen soll. Kritiker werfen ihm vor, Pakistans ohnehin instabile Demokratie zu torpedieren. In seiner 65-jährigen Geschichte wurde Pakistan die Hälfte der Zeit vom Militär regiert.

Qadri trifft den Unmut vieler Menschen, vor allem der unteren Klassen, die sich von den Politikern verraten und verkauft fühlen. Wie viele „Demokratien“ Südasiens wird Pakistan von feudalen Eliten beherrscht, die sich bevorzugt selbst bereichern, während das Volk darbt. Viele der 180 Millionen Pakistaner kämpfen um ihre Existenz. Christine Möllhoff

Zur Startseite