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Politik: Aufstand von Asylbewerbern in London

Protest gegen Zustände in Abschiebezentrum

Protest gegen Zustände in Abschiebezentrum London - Doppelkrise für Großbritanniens Innenminister John Reid: Im größten Abschiebezentrum des Landes in Harmondsworth bei Heathrow legten abgelehnte Asylbewerber am Mittwoch Brände, zertrümmerten Mobilar und legten im Innenhof mit Leintüchern das Wort „Hilfe“ aus. Gleichzeitig kletterte die Zahl der britischen Gefängnisinsassen zum ersten Mal auf mehr als 80 000. Auf 100 000 Einwohner kommen in Großbritannien 143 Inhaftierte. Damit sperrt das Land mehr Menschen ein als alle anderen in Europa.

Während die Polizei zur Kontrolle der Meuterei in dem Asylbewerberzentrum Verstärkung aus überfüllten Gefängnissen anforderte, suchte Reid auf einer Sondersitzung bei Experten Rat. Schon werden Häftlinge fern ihrer Familien provisorisch auf Polizeireviere im Land verteilt. Alle vier Flügel des Gebäudes seien von der Meuterei betroffen, teilte Reids Ministerium mit. Hubschrauberbilder zeigten, wie Insassen auf den Höfen herumstanden. Später wurde ein Filmverbot verhängt. Der Komplex sei durch eine Außenmauer gesichert, Gefahr für die Bevölkerung bestehe nicht, beruhigte das Innenministerium die Bevölkerung. Das Zentrum ist mit 482 Insassen komplett ausgelastet. Geführt wird es von der Privatfirma UK Detention Services.

Möglicher Auslöser der Krawalle: Insassen könnten im Fernsehen Berichte über den neuesten Inspektionsbericht des Lagers gesehen haben. Da wird dem Lager ein verheerendes Zeugnis ausstellt: Es werde „wie ein Hochsicherheitsgefängnis“ geführt, das Personal verhalte sich „aggressiv und einschüchternd“. „Es sieht wie ein Gefängnis aus und fühlt sich wie ein Gefängnis an, obwohl diese Leute keine Verbrecher sind. Es gibt keinen Grund, sie einzusperren“, so Tim Finch, der Sprecher der Lobbygruppe „Refugee Council“.

Der Krawall führt ins Zentrum der notorischen Probleme der Briten mit Asylbewerbern und Migranten. Täglich kommen 1500 Personen, um langfristig in Großbritannien zu bleiben. Nach Abzug der Auswanderer beträgt der Zuwachs mehr als 200 000 im Jahr. Davon waren in den vergangenen 12 Monaten knapp 29 000 Asylbewerber. Rund 62 Prozent davon werden abgelehnt. Sie kommen dann in Abschiebelager, viele von ihnen für sechs Monate und länger. Abschiebungen sind unendlich kompliziert und ihre Zahl geht zurück – obwohl Reid versprach, den Überhang abzubauen. Tausende von abgelehnten Asylbewerbern sind wegen der Systemüberlastung einfach untergetaucht – niemand kann sagen, wie viele es sind. „Das ganze System ist außer Kontrolle. Es ist unfair – für Asylbewerber und Steuerzahler“, sagt Tory-Oppositionssprecher Damian Green.

Matthias Thibaut

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