zum Hauptinhalt
Angela Merkel in der Bundespressekonferenz.

© dpa

Auftritt vor der Bundespressekonferenz: Angela Merkel gibt in Sachen Prism die Ahnungslose

Anderthalb Stunden antwortet Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Fragen, dabei hat sie eigentlich nur zwei Textbausteine zum interessantesten Thema parat. Und davon ist sie am Ende vielleicht sogar selbst genervt.

Am Ende weiß man nicht genau, wovon sie angefressen ist: den ständigen Nachfragen zu diesem einen Thema oder der eigenen Ahnungslosigkeit. Bundeskanzlerin Angela Merkel tritt zum 16. Mal vor die Bundespressekonferenz, sie kennt das Frage-Antwort-Spiel. Nur gegen Ende dieser gut anderthalb Stunden wirkt sie genervt, als beim Thema Edward Snowden und dem amerikanischen Geheimdienst NSA nochmal nachgehakt wird. Ob sie Snowden dankbar sei, will ein Journalist wissen. Sie weicht aus. "Durch ihn ist das alles öffentlich geworden und jetzt beschäftigen wir uns damit", sagt Merkel. Eine Journalist ruft: "Das ist keine Antwort." Merkel kontert gereizt. "Das ist vielleicht eine Antwort, die sie nicht zufriedenstellt, aber es ist meine Antwort."

Und so ist es im Prinzip mit nahezu jeder Antwort Merkels auf den Themenkomplex NSA. Zwei Bausteine hat sie sich für ihre Antworten zurecht gelegt, die sie in unterschiedlichen Variationen aber demselben Kern präsentiert: Es müsse weiter aufgeklärt werden und deutsches Recht dürfe auf deutschem Boden nicht gebrochen werden. Wer mit einer anderen Erwartungshaltung zu dieser Pressekonferenz gekommen sei, das stellt sie gleich zu Beginn klar, den müsse sie enttäuschen.

Seit gut sechs Wochen sind die Spionagevorwürfe gegen den amerikanischen Geheimdienst NSA nun schon bekannt und das derzeit zumindest medial beherrschende Thema. Doch Angela Merkel sagt vor der Hauptstadtpresse: "Mir ist es völlig unmöglich, hier eine Analyse von Prism vorzunehmen." Prism ist jenes Programm, mit dem der amerikanische Geheimdienst mindestens großflächig Telekommunikation - auch aus Deutschland - speichert und auswertet. Verwirrung gibt es um ein zweites, vermeintlich nur von der Nato betriebenes Programm mit gleichem Namen. Doch auch diese Verwirrung konnte Merkel nicht auflösen.

Sie präsentiert Textbausteine

Die Aufklärungsarbeit gehe weiter, sagt Merkel. Sie könne deren Ergebnisse noch nicht präsentieren. „Die Arbeiten sind nicht abgeschlossen. Sie dauern an.“ Dann präsentiert sie ihre Textbausteine: „Auf deutschem Boden hat man sich an deutsches Recht zu halten", sagt Merkel. Anschließend: „Bei uns in Deutschland und in Europa gilt nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts. Das erwarte ich von jedem.“ Sie selbst könne nicht allein für Aufklärung sorgen. „Ich kann doch nur zur Kenntnis nehmen, dass unsere amerikanischen Partner Zeit für die Prüfung brauchen.“

Sie versucht mit dem Blick nach vorn in die Offensive zu kommen, indem sie darauf verweist, dass die Bundesregierung auf EU-Ebene die Arbeit an der Reform des Datenschutzes vorantreibe. So soll es eine Auskunftspflicht geben für Unternehmen, wenn Daten an Drittstaaten weitergegeben würden. Auch auf UN-Ebene bemühe sich Deutschland um internationale Datenschutzstandards. Auch werde man einen Runden Tisch zur Sicherheitstechnik im IT-Bereich und den Bürgern soll bei der Verschlüsselung ihrer Daten geholfen werden.

Faktisch musste Merkel aber zugeben, dass der Fragenkatalog, den man nach Bekanntwerden des Programms Prism an die USA geschickt habe, immer noch unbeantwortet sei und eine Auskunft darüber, wann man mit Antworten rechne, nicht möglich ei. Sie erinnert an den 11. September 2001, sagt aber gleichzeitig, dass der Zweck nicht alle Mittel heilige.

Andere Themen? Kaum

Angela Merkel versucht im Blick nach vorn, auch Absatzbewegungen von den USA aufzuzeigen. So verweist sie auf den amerikanischen Flugzeughersteller Boeing, dem man mit dem Airbus eine europäische Alternative gegenüber gesetzt habe. Merkel sei besorgt, dass in Deutschland und der EU technologische Möglichkeiten fehlten und forderte deshalb Alternativsysteme wie bei Boeing auch im Internetbereich.

Und so schlängelt sich Angela Merkel mit ihren zwei Textbausteinen durch diese anderthalb Stunden, am Wegrand kommen andere Themen zu Vorschein. Griechenland: Dort lehnt sie einen neuen Schuldenschnitt ab. Schwarz-Gelb? Ihrer Auffassung nach immer noch die "erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung". Wahlkampf? "Es fällt mir immer schwer zu sagen, wann der losgeht und wer das bestimmt."

Doch im Kern geht es um die Spionagevorwürfe. Da stützt sie ihre beiden Minister, Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla mit ihrem "vollsten Vertrauen", was viele im Kabinett Merkel eher aufschrecken dürfte, weil nach solchen Sätzen meistens ein Minister gehen musste. Das steht den beiden nach heutigem Stand nicht unmittelbar bevor, aber: Es muss ja noch weiter aufgeklärt werden.

Aufklärung und deutsches Recht auf deutschem Boden - neu sind die dünnen Botschaften nicht. Seit Tagen zieht Merkel damit umher. Und selbst NSA-Chef Keith Alexander hat bei einem Sicherheitsforum in Aspen darauf verwiesen, dass nun auch die Partner, zu denen auch Deutschland zähle, Bescheid wüssten. Was will Merkel da noch aufgeklärt haben? Ein Widerspruch? Nicht für Merkel. "Das zeigt ja gerade, dass wir noch Fragen haben" - jetzt, wo alles bekannt geworden sei.

Es ist ein heikler Schlingerkurs, den Merkel da vollführt und er hinterlässt erste Spuren in der Bevölkerung. Zweidrittel der Deutschen sind laut einer ARD-Umfrage mit Merkels Aufklärungsarbeit nicht zufrieden. Ob dieser Auftritt heute daran etwas ändert, darf bezweifelt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false