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Politik: Aus dem Herzen, aus dem Sinn

USA UND DEUTSCHLAND

Von Christoph von Marschall

Amerikaner und Deutsche reden wieder miteinander. Sie hören sich sogar zu, ein Jahr nach dem Höhepunkt des Streits um den Irakkrieg. Aber aus Einsicht in die Notwendigkeit. Die Herzlichkeit kehrt nicht zurück, nicht solange Bush und Schröder regieren. Dankbarkeit gegenüber der Schutzmacht hier, der Stolz auf den demokratischen Musterschüler dort – es scheint, als lägen solche Gefühle Epochen zurück. Wenn altgediente Transatlantiker bei der Sicherheitskonferenz in München die Wiederannäherung beschwören, klingt das ein wenig nach Potemkin: akustische Fassaden, die das Publikum, aber auch sie selbst beruhigen sollen.

Der Irak trennt. Nicht so sehr Amerika und Europa, schließlich haben 18 europäische Staaten Truppen dort, sondern vor allem Deutschland und die USA. Ihr sicherheitspolitisches Denken hat sich auseinander entwickelt. Sie tragen, bei allem vordergründigen Pragmatismus, weiter einen Glaubenskrieg aus. Ihre Bedrohungs- und Lageanalysen differieren kaum: Der islamische Terror, womöglich in Verbindung mit Massenvernichtungswaffen, ist die derzeit größte Bedrohung; und dessen Hauptursache die gesellschaftliche und politische Rückständigkeit der arabischen Welt. Aber sie geben unterschiedliche Antworten: Rumsfeld-Amerika setzt stärker auf militärische Macht, Fischer-Deutschland mehr auf den Aufbau der Zivilgesellschaft.

Was noch schwerer wiegt: Die Bereitschaft, dem Partner auch ein bisschen Recht zu geben, ist gering. In der eigenen Wahrnehmung verkommen dessen Politikansätze zur Karikatur. Als sei Fischers Vorschlag einer gemeinsamen Modernisierungsoffensive in der arabischen Welt nicht mehr als Bürgerinitiativen-Lyrik, nach dem Motto: Wir wollen wie das weiche Wasser sein, das den Stein brechen soll– selbst den des Terrors. Und als fiele umgekehrt den Amerikanern nichts anderes ein, als auf jeden Stein Bomben zu werfen – und nach jedem Krieg den Verbündeten den mühsamen zivilen Wiederaufbau zu überantworten.

Die Welt braucht beides: entschlossenes Vorgehen gegen Terrorzellen und Regime, die sie beherbergen, zum kurzfristigen Schutz. Und eine Modernisierung, die dem Terror den gesellschaftlichen Nährboden nimmt, was aber bestenfalls mittel- bis langfristig gelingen kann. Mit modernster Militärtechnik allein kann man ihn nicht beseitigen, das zeigt nicht nur das Beispiel Irak. Aber auch ein Plan für Demokratie, Rechtsstaat und Gleichberechtigung der Frauen reicht nicht, um Selbstmordattentäter zu stoppen.

Die Bedrohung werden Amerika und Europa nur gemeinsam in den Griff kriegen – dafür jedoch müssten sie erst mal ihre latente gegenseitige Geringschätzung überwinden. Und bei den eigenen Ansätzen Selbstbescheidung lernen. Demokratie und Zivilgesellschaft sind viel zu hochtrabende Ziele in der arabischen Welt. Sie lassen sich weder von Bush herbeibomben, noch von Fischer einfach herbeireformieren. Stabilisierung und Modernisierung – diese Ziele sind schon mehr als ehrgeizig. Bushs Vater hatte die Regierung Kohl kurz vor der Einheit eingeladen, „partners in leadership“ zu sein. Wenn Amerikaner und Deutsche ihre strategischen Ansätze kompatibel machen, könnte daraus vielleicht doch noch etwas werden.

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