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Politik: Aus falsch mach richtig

Von Malte Lehming

Vier Jahre ist es her, fast auf den Tag genau. Die Szene hat sich eingegraben ins kollektive Gedächtnis vieler Menschen. Sie hat Vertrauen zerstört, Misstrauen gesät. Sie ist ein Schlüssel zum Verständnis der globalen Sicherheitsprobleme – und auch der Münchner Sicherheitskonferenz: Damals, vor vier Jahren, trat Colin Powell vor das höchste Völkerrechtsgremium der Welt, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. „Meine Kollegen“, sagte der damalige US-Außenminister, „jede meiner Behauptungen wird unterstützt von Quellen, soliden Quellen.“ Der Irak besitze Massenvernichtungswaffen und unterstütze die Terrororganisation Al Qaida. Das sei keine Mutmaßung, sondern ein Faktum. Powell präsentierte „Beweise“. Er galt als der Gute, Sanfte, Vernünftige in der US- Administration. Dann kam der Krieg. Der Rest ist bekannt.

Ob willentliche Selbsttäuschung oder vorsätzlicher Betrug: Im Nachhinein lastet seit diesem Tag auf der Außenpolitik der US-Regierung der Verdacht, wieder in die Katastrophe zu führen. Akut und aktuell der Iran: Teheran leiste massive Waffenhilfe an schiitische Milizen und Todesschwadronen im Irak, tönt es aus Washington. Kann sein. Kann nicht sein. Die spärlichen Beweise dafür stammen entweder von iranischen Dissidenten, die Desinformation betreiben könnten, oder von jenen Geheimdiensten, die seit der Irakkriegsblamage diskreditiert sind.

Fatal erinnert die amerikanische Anti- Iran-Rhetorik an die Vor-Irakkriegs-Propaganda. Doch Geschichte wiederholt sich nur als Farce. Wirklich führen und Gefolgschaft fordern kann die letzte verbliebene Supermacht heute noch weniger als vor vier Jahren.

Die allgemeine Verunsicherung hat Folgen. Israel zweifelt, ob es sich in der existenziellen Frage des Landes, seinem Überleben, auf die USA verlassen kann. Entsprechend schrill sind die Warnungen. Russlands Wladimir Putin, der jede Schwäche wittert, poltert ungeniert gen Nato, EU und Washington. Er testet seine Macht und pendelt lustvoll zwischen Anmaßung und Erpressung. Und Europa? Angela Merkel ist die derzeit wichtigste Spielerin auf der internationalen diplomatischen Bühne. Aber letztlich kann sie bloß moderieren und Akzente setzen. Auf absehbare Zeit bleibt die EU abhängig von russischer Energie, und der Nahe Osten ist noch stets seiner eigenen Dramaturgie gefolgt.

Was also tun mit dem Iran? Eins ist klar: Der falsche Krieg (Irak) darf den richtigen Gegner (Iran) nicht triumphieren lassen. Die Antwort drängt. Ende Februar läuft die 60-Tage-Frist der Uno aus, nach der über eine Verschärfung der Sanktionen beraten werden soll, falls Teheran sein unbestreitbar vorhandenes Atomprogramm nicht einstellt. Eine weitere UN-Resolution indes wird wohl wegen der russischen und chinesischen Blockade entweder nicht zustande kommen oder verwässert werden. Was also bleibt, sind konzertierte bilaterale Wirtschaftssanktionen. Die Initiative dazu kann nur von Deutschland, einem Haupthandelspartner des Iran, ausgehen. Es wird spannend im Bundeskanzleramt.

George W. Bush jedenfalls tut gut daran, sich zurückzuhalten. Jedes Drängen aus Washington verstärkt die europäischen Abwehrreflexe. Militärische Drohkulissen der USA erzürnen den Rest der Welt mehr, als sie die Iraner ängstigen. Das Misstrauen sitzt, vier Jahre später, immer noch zu tief.

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