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Minsk, 20. Dezember 2010. Die Miliz geht nach der Präsidentenwahl gewaltsam gegen Demonstranten vor, die gegen Fälschungen protestieren.

© AFP

Ausbildungshilfe für Weißrussland: "Nur keine unschönen Schlagzeilen"

Die Idee zu der umstrittenen Ausbildungshilfe für Lukaschenkos Miliz hatte der damalige deutsche Botschafter in Minsk. Später kam es zwischen den Ministerien fast zum Eklat.

Am Ende wollte es keiner gewesen sein. Nachdem die Ausbildungshilfe für Weißrusslands Miliz bekannt geworden war, betonte das Bundesinnenministerium (BMI), die Initiative gehe auf das Auswärtige Amt zurück. Doch die Diplomaten gaben den Ball zurück: Das BMI habe das Projekt schließlich verantwortet. Später einigten sich beide Ministerien auf eine dritte Version: „Weißrussland ist seinerzeit auf die Bundesregierung zugegangen, um eine polizeiliche Zusammenarbeit zu initiieren.“

Doch das stimmt nach Tagesspiegel-Recherchen nur zum Teil: Zwar gibt es eine offizielle Anfrage aus Weißrussland, einem Land, das von Staatschef Alexander Lukaschenko seit mehr als zwei Jahrzehnten autoritär regiert wird. Aber die Idee zu der Ausbildungshilfe kam von deutscher Seite. Der damalige Botschafter in Minsk, Gebhardt Weiß, schlug das Projekt vor. Das geht aus dem Schriftwechsel zwischen der Botschaft, dem Auswärtigen Amt, dem BMI und der belarussischen Innenbehörde hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Weiß habe Lehrgänge für die weißrussische Bereitschaftspolizei zum Thema „Deeskalation und Einsatz von geschlossenen Einheiten“ angeregt, berichtete der grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte an der deutschen Botschaft in Kiew im April 2008. Hintergrund seien „Fernsehbilder von Demonstrationen, bei denen die Polizei nicht unbedingt lagenangepasst und koordiniert reagiert hat“. Zugleich relativiert der Beamte – allem Anschein nach unter dem Eindruck seines Gesprächs mit dem Botschafter – die Kritik am Vorgehen der weißrussischen Sicherheitskräfte: Die westlichen Medien neigten dazu, das Eingreifen der Polizei „bei Verletzung von Demonstrationsauflagen“ so darzustellen, als handele es sich um eine genehmigte Demonstration. „Dies verzerrt die Tatsachen und erzeugt ein falsches Bild vom Verhalten der Polizei.“

Im BMI gab es im Frühjahr 2008 noch politische Bedenken gegen das Projekt. Botschafter Weiß sprach sich jedoch umgehend für den „wichtigen Projektansatz“ aus. Die Ausbildungshilfe könne „ein besonderes Beispiel geben für konkrete Unterstützung bei der von uns geforderten Demokratisierung“. Auch das Auswärtige Amt hatte „keine grundsätzlichen Bedenken“. Allerdings hieß es aus dem zuständigen Referat warnend: „Man sollte diese Maßnahmen aber ggf. etwas flach halten, damit keine unschönen Schlagzeilen entstehen.“ Erst im Oktober 2008 kommt wirklich Bewegung in die Sache, als die EU die Sanktionen gegen Weißrussland aussetzt. Nur eine Woche nach dem Beschluss stellt die Regierung in Minsk eine offizielle Anfrage an Deutschland.

Im Herbst 2010 ist ein neuer deutscher Botschafter in Weißrussland, auch im AA-Referat sitzen andere Diplomaten. Die zuständige Referentin fragt nun plötzlich das BMI, auf welcher rechtlichen Grundlage das Projekt basiere, wer beteiligt und wann es angelaufen sei. Ein weiteres Jahr später kommt es in Berlin fast zum Eklat. Die Referatsleiterin im AA schreibt an das BMI, man sei erst durch Antworten auf eine parlamentarische Anfrage der Linken auf die Zusammenarbeit aufmerksam geworden. Doch den Vorwurf, dass „weder das Auswärtige Amt noch die Botschaft Minsk unterrichtet war“, weist das BMI empört von sich – und erinnert daran, dass Botschafter Weiß der Initiator gewesen sei. Die Irritationen deuten darauf hin, dass am Ende zumindest das Auswärtige Amt keinen Überblick über das Projekt mehr hatte.

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