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Politik: Ausflug nach Sofia

In einem Vorort der bulgarischen Hauptstadt Sofia ist in der Nacht zum Donnerstag eine Luft-Boden-Rakete der NATO vom Typ "Harm" eingeschlagen, die aber offenbar nicht explodierte.Ein Haus wurde zerstört, Menschen kamen nicht zu Schaden.

In einem Vorort der bulgarischen Hauptstadt Sofia ist in der Nacht zum Donnerstag eine Luft-Boden-Rakete der NATO vom Typ "Harm" eingeschlagen, die aber offenbar nicht explodierte.Ein Haus wurde zerstört, Menschen kamen nicht zu Schaden.Es war die vierte fehlgeleitete Rakete, die seit Beginn der Kosovo-Intervention in Bulgarien einschlug.Major Ric Jones, ein Sprecher des NATO-Hauptquartiers Europa (Shape) sagte dem Tagesspiegel, ein NATO-Jet sei über Serbien vom serbischen Flugabwehr-Radar erfaßt worden und habe daraufhin die "Harm" abgefeuert; sie soll auf dem gegnerischen Radarstrahl ins Ziel "reiten".Die serbische Luftabwehr habe in diesem Augenblick den Radar abgeschaltet, sodaß die Rakete "ihr Ziel verloren" habe.Ob dies ein einmaliges technisches Versagen oder konstruktionsbedingt sei, konnte Jones nicht sagen.Auch Jamie Shea, Sprecher des NATO-Generalsekretärs Javier Solana, und Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping erklärten den Zwischenfall bei ihren Pressekonferenzen damit, daß eine Anti-Radar-Rakete fehlgeleitet worden sei.Scharping nannte es eine "Spekulation", daß ein deutscher "Tornado" die "Harm" abgefeuert habe.

Ein deutscher Militärexperte, der ungenannt bleiben wollte, sagte dem Tagesspiegel, in der NATO verfügten nur die USA und Deutschland über "Harm"-Raketen.Er nannte es erklärungsbedürftig, wie die Rakete sich bis nach Sofia verirren konnte, das rund 50 Kilometer jenseits der Grenze zu Serbien liege.Die "Harm" werde im Anti-Radar-Einsatz aus 5000 Meter Höhe "direkt von oben nach unten" gefeuert.Major Jones nannte die Abweichung um 50 Kilometer auf Rückfrage dagegen "nicht ungewöhnlich".Die "Harm" habe nach den öffentlich zugänglichen Internet-Seiten eine Reichweite von über 90 Kilometer.Sie sei 4,1 Meter lang, 360 Kilogramm schwer und fliege mit einer Geschwindigkeit von 1216 km/h.

Für Bulgarien ist der Vorfall politisch brisant - erst recht, wenn sich herausstellen sollte, daß NATO-Flugzeuge bulgarischen Luftraum durchquert und dort die "Harm" verloren haben.Die Regierung, die Bulgarien in die Allianz führen will, hat ihr generelles Einverständnis für die Nutzung des Luftraums signalisiert; eine offizielle Anfrage hat der NATO-Rat aber erst am Mittwoch vormittag gestellt, meldet die bulgarische Nachrichtenagentur BTA.Die Regierung braucht die Zustimmung des Parlaments.Dort hat sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit, aber die abgewählten Ex-Kommunisten versuchen mit scharfer Anti-NATO-Demagogie Boden zu gewinnen.Wie Serbien ist Bulgarien ein slawisches und orthodoxes Land, zwei Drittel der Bürger lehnen in Umfragen die Luftangriffe ab.Besondere Sorgen macht sich das Volk um die Sicherheit des Atomkraftwerks Kozloduj im Nordosten Bulgariens.Eine Beschädigung aus der Luft könnte eine Katastrophe auslösen.

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