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Politik: Ausgesprochen kameradschaftlich

Offiziell heißt es, im CDU-Vorstand sei sachlich diskutiert worden – wahr ist, dass die Luft brannte

Von Robert Birnbaum

Berlin - Wenn Bernd Neumann in Fahrt ist, bremst ihn so schnell keiner. Und Bernd Neumann, Kulturstaatsminister und CDU-Landeschef in Bremen, war schwer in Fahrt am Montag im CDU-Vorstand. Verheerend sei das Erscheinungsbild der Union, polterte Neumann. Man müsse doch nur mal die Umfragen angucken, in denen CDU und CSU hinter der SPD landen! Und warum? Weil die Union nur noch als zerstritten wahrgenommen werde. Und wer sei schuld daran? Etwa die Minister? „Nein“, gab sich Neumann selbst die Antwort. Oder die Parteibasis? Nein. Oder die Bundestagsfraktion? Ja, wohl auch nicht. Also, wer bleibt? Neumann schaute in Richtung der anwesenden Ministerpräsidenten. „Konkretes Beispiel bitte“, hat Peter Müller irgendwann dazwischengerufen. „Gut, dass Sie sich melden“, raunzte Neumann den Saar-Ministerpräsidenten an. „Zu Ihnen wollt’ ich noch kommen!“

Die donnernde Philippika war der Auftakt zu etwas, was der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla später vor der Presse im Konrad-Adenauer-Haus als „sehr kameradschaftliche Debatte“ bezeichnete über die Frage des „äußeren Erscheinungsbilds“ der CDU in der großen Koalition. Neumann, sagen Leute, die dabei waren, hat keinen beim Namen genannt, den er für dieses Bild für verantwortlich hält. Aber es war klar, wem die Attacke galt, auch den Attackierten. „Peter Müller und Jürgen Rüttgers haben sich gleich angesprochen gefühlt“, sagt ein Teilnehmer. Müller war schließlich auch derjenige, der als Erster den Unmut der Unionsländerfürsten über die Gesundheitsreform öffentlich gemacht hatte. Der NRW-Regierungschef Jürgen Rüttgers hatte mit dem Stichwort „Lebenslüge“ Teile des Reformkurses grundsätzlich in Frage gestellt. Beide verteidigten sich. Müller vor allem hielt Neumann entgegen, das eigentliche Problem sei doch wohl ein strategisches: Wo bleibe das Profil der CDU in der großen Koalition? Die andere Seite habe ihre Symbolthemen zur Befriedigung der eigenen Anhänger, Stichwort etwa Reichensteuer. Aber wo blieben die symbolischen Erfolge der CDU? Dass Kanzlerin Angela Merkel und der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder daraufhin Stichworte wie Haushaltskonsolidierung, Bürokratieabbau oder die jüngsten Anti-Terror-Gesetze nannten, es überzeugte Müller erkennbar nicht.

Die anfänglich so hitzige Debatte sei dann später in etwas ruhigeres Fahrwasser geraten, berichten Teilnehmer. Immerhin habe am Ende eine gewisse Einigkeit darüber bestanden, dass man sich selbst und die Erfolge der Koalition künftig mehr loben wolle. „Wir reden jetzt alle nur noch gut übereinander“, spottete hinterher ein Teilnehmer. Andere mutmaßten, Neumann sei – obwohl als zorniger älterer Herr schon mehrfach aufgefallen – zumindest nicht gegen den Willen Merkels derart explodiert. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende habe schließlich in der Sitzung in der Sache ihrem Staatsminister Recht gegeben, wenn auch in sehr viel milderem Ton. Eine Arbeitsteilung sei nicht akzeptabel, wurde Merkel sinngemäß zitiert, bei der die einen in der Union für das Loben zuständig seien, die anderen aber ihren Beitrag zur gemeinsamen Sache stets im Kritisieren sähen. Merkel hat auch keine Namen genannt. Aber auch bei ihren Worten war allen Zuhörern klar, wen sie damit so alles meinte.

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