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Bundeswehr-Ausbildungsmission in Mali.

© Reuters

Auslandseinsätze der Bundeswehr: Was mehr deutsche Soldaten in Afrika ausrichten könnten

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will mehr Bundeswehrsoldaten nach Afrika schicken. Der erste größere Einsatz der Bundeswehr dort gilt allerdings als kompletter Misserfolg.

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Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat einen Stein ins Rollen gebracht: Mit ihrer Vorstellung, das Truppenkontingent für Mali aufzustocken, hat sie der Debatte über Sinn und Umfang von Auslandseinsätzen der Bundeswehr neue Impulse gegeben.

Wo könnte Deutschland mehr tun?

Die Konflikte in Mali sind Ausdruck einer umfassenderen regionalen Krise. Die Sahara bis zur Atlantikküste in Guinea-Bissau und bis zur Mittelmeerküste von Algerien bis Ägypten ist ein Gebiet, in dem kriminelle Netzwerke, islamistische Terroristen und politische Milizen einen fast grenzenlosen Aktionsraum haben. Dass ein Teil der islamistischen Milizen aus dem Norden Malis vertrieben worden ist, bedeutet nicht, dass sie verschwunden oder besiegt wären. Sie haben ihren Aktionsradius einfach verändert. Um die Gesetzlosigkeit in diesem riesigen Gebiet zu bekämpfen, könnte Deutschland sowohl politisch als auch durch die Unterstützung von Polizei oder Militär mehr tun. Der zweite chronische Krisenherd Afrikas ist die Region der großen Seen von der Demokratischen Republik Kongo über die Zentralafrikanische Republik bis zum Südsudan. Der dritte regionale Schwerpunkt ist das Horn von Afrika mit Somalia im Mittelpunkt. Dort hat sich Deutschland bisher vor allem in der Anti-Piratenmission der EU, Atalanta, engagiert. Aber auch an Land könnte Berlin eine wichtigere Rolle bei der Stabilisierung spielen.

Wo in Afrika sind derzeit deutsche Soldaten im Einsatz?

Außer Atalanta ist Mali der größte und auch bekannteste Einsatz der Bundeswehr in Afrika. Aber auch im Sudan, dem seit 2011 unabhängigen Südsudan, in der Demokratischen Republik Kongo, Djibouti und in der Westsahara sind Soldaten der Bundeswehr stationiert, als UN- Blauhelmsoldaten oder im Rahmen von EU-Missionen (siehe Karte). Verglichen mit Mali sind dies aber kleine Einsätze. In Mali bilden derzeit 99 Bundeswehrsoldaten malische Pioniere aus, 69 weitere transportieren im Auftrag der UN Truppen und Material afrikanischer Staaten nach Mali. Denn in dem Land arbeiten EU, UN und Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft zusammen. In Sudan, genauer in der Krisenregion Darfur, sind zehn deutsche Soldaten für die UN im Einsatz, in Südsudan, in dem nach der Unabhängigkeit vom Norden nun ein Bürgerkrieg zwischen zwei Bevölkerungsgruppen tobt, sind es 16. Auch im Kongo und der Westsahara geht es um die Unterstützung von UN-Missionen.

Doch auch die EU engagiert sich über Mali hinaus und wird künftig wohl noch mehr Soldaten nach Afrika schicken. Vor allem, um afrikanische Armeen auszubilden, damit sich Szenarien wie in Mali, wo schlecht ausgerüstete und unmotivierte Streitkräfte 2013 von Islamisten geradezu überrannt wurden, nicht wiederholen. Ein solches Ausbildungsprogramm gibt es auch für Somalia. Wegen der schwierigen Sicherheitslage in dem Krisenstaat fand das Training allerdings zunächst in Uganda statt. Auch dort waren deutsche Soldaten beteiligt. Als die EU 2013 beschloss, die Ausbildung nach Somalia selbst zu verlegen, zog Deutschland allerdings nicht mit. Im Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam laufen Vorbereitungen, künftig auch Soldaten nach Mogadischu zu schicken. Vor der Küste Somalias sind 335 deutsche Soldaten in der EU-Anti-Piratenmission Atalanta im Einsatz, 100 davon auf dem Versorgungsstützpunkt im Hafen Djiboutis. Dort ist auch das Hauptquartier von Eucap-Nestor. Diese kleine EU-Mission hilft den Küstenländern beim Aufbau von Küstenschutzprogrammen. Auch dort sind zwei deutsche Soldaten dabei.

Was tun deutsche Soldaten in Afrika?

Die meisten der sogenannten „Einzelmarschierer“, die also nicht wie in Mali als Gruppe mit klaren militärischen Aufgaben betraut sind, werden als UN-Militärbeobachter eingesetzt. Das bedeutet nicht etwa, dass sie mit der Waffe in der Hand in Krisengebieten patrouillieren. Viele sind mit Büroaufgaben betraut und helfen in den Hauptquartieren der UN- Operationen bei der Einsatzplanung. „Draußen“ geht es meist eher darum, Waffenstillstandslinien zu überwachen, Kontakt zu Konfliktparteien zu halten und Lageberichte zu verfassen. In jedem Fall sind die Militärbeobachter unbewaffnet. Die Lebensbedingungen in solchen kleinen Einsätzen sind oft abenteuerlich. So lag das Ausbildungscamp für somalische Soldaten in Uganda in einem abgelegenen Gebiet, mehrere Autostunden von der Hauptstadt Kampala entfernt. In der Regenzeit war oft gar kein Durchkommen, auch Internet- und Telefonverbindungen konnten dann tagelang unterbrochen sein.

Haben Einsätze in Afrika Erfolge gebracht?

Der erste größere Einsatz der Bundeswehr in Afrika gilt als kompletter Misserfolg. Es war der Blauhelmeinsatz in Somalia 1993/94. Die UN-Truppen verließen das Land, als sich die Lage dort zuspitzte, Frieden herrscht in Somalia bis heute nicht. Die meisten Länder Afrikas, in denen die Bundeswehr aktiv ist, sind durch die Einsätze weder demokratischer geworden noch haben sich die Lebensbedingungen dort wesentlich verbessert. Immerhin konnten durch internationale Einsätze aber Gewaltausbrüche beendet werden und wie in Mali Wahlen abgehalten werden. Selbst im Kongo gelang es 2006 mit europäischer Hilfe, Wahlen zu organisieren. Auch Deutschland war daran beteiligt. Doch als die Europäer sich danach zurückzogen, versank das Land schnell wieder in Anarchie, Chaos und Gewalt.

Gibt es einen Paradigmenwechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik?

Markus Kaim von der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) sieht erste Schritte der großen Koalition, die auf „eine Abkehr von der Politik der militärischen Zurückhaltung“ und eine „veränderte Selbstbeschreibung“ der deutschen Rolle in der internationalen Politik hinwiesen: vom Verwalten zum Gestalten. Berlin scheine bereit zu sein, künftig mehr Verantwortung zu übernehmen. Und setze dabei, in Abkehr von der Politik der Vorgängerregierung, auf eine Wiederbelebung der deutsch-französischen wie der gemeinsamen europäischen Außen- und Verteidigungspolitik. Zugleich gebe es ein großes Maß an Kontinuität. So werde nach wie vor reflexhaft als erstes erklärt, dass es „keinen Kampfeinsatz“ geben werde. Und nach wie vor gelte gegenüber Afrika als Handlungsprämisse die Ertüchtigungsstrategie – man strebe nicht selbst eine Lösung der Probleme an, sondern unterstütze einheimische Kräfte.

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