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Politik: Ausnahmen auf Vorrat

Die Industrie klagt über zu hohe Kosten für erneuerbare Energien und hat Wirtschaftsminister Clement gegen Trittin auf ihrer Seite

Bei der Förderung von Strom aus Wind, Sonne und Biomasse will Umweltminister Jürgen Trittin sich nicht reinreden lassen. Auch nicht von seinem Kabinettskollegen Wolfgang Clement (SPD), der die Zuständigkeit für erneuerbare Energien nach den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2002 an den Grünen-Politiker abgeben musste. So beharrt Trittin darauf, dass mit der geplanten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) keine Obergrenzen bei den Stromkosten für energieintensive Branchen eingezogen werden. „Sonderregelungen sind angesichts der realen Kosten nicht erforderlich“, sagte der Umweltminister am Dienstag. Clement hatte sich für Ausnahmen etwa für die Aluminiumindustrie eingesetzt, die über starke Belastungen klagt.

Die Strompreise für die Industrie hätten sich seit 1990 auf gut vier Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2000 halbiert, argumentiert Trittin. Im Durchschnitt liegen nach Berechnungen des Umweltministeriums die Mehrkosten bei 0,18 Cent durch das EEG, bei Aluhütten und Stahlerzeugern sei die Belastung aber geringer. „Es kursieren abenteuerliche und unseriöse Falschbehauptungen“, unterstützt ihn der SPD-Parlamentarier Hermann Scheer. Auch die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt, sagte dem Tagesspiegel: „Die Industrie hantiert mit absolut überhöhten Zahlen.“ Würde für Großverbraucher die Umlage sinken, mit der alle Konsumenten den Ausbau erneuerbarer Energien fördern, stiegen damit die Stromkosten für Privatverbraucher – oder es stünden weniger Mittel für Wind- und Solarenergie sowie Biomasse zur Verfügung. „Ich lehne es ab, private Haushalte stärker zu belasten“, sagt Trittin. Die Anlagenbesitzer erhalten für Strom aus erneuerbaren Energien eine feste Einspeisevergütung von den Netzbetreibern, die im Laufe der Jahre sinkt. Die Netzbetreiber legen die Kosten auf private Verbraucher und Firmen um.

Mit der Novelle des EEG sollen die Vergütungstarife nun neu justiert und stärker differenziert werden. So regt Trittin an, die Sätze für neue Anlagen an sehr windigen Standorten – sprich: vor allem in Küstennähe – „leicht“ zurückzufahren oder die Förderbeträge schneller abzuschmelzen. Hier liegt die Vergütung mit bis zu neun Cent pro Kilowattstunde häufig über den Kosten, die für die Stromerzeugung anfallen. „Wir wollen Überförderung vermeiden“, sagt Trittin.

Im Gegenzug sollen Windparks im Meer stärker gefördert werden. Wenn die so genannten Offshore-Anlagen bis zum Jahr 2010 in Betrieb gehen, sollen sie die volle Förderung erhalten. Bisher war im EEG vorgesehen, schon ab 2006 die Sätze zu senken. In Deutschland ist derzeit noch kein Windpark auf dem Meer am Netz. Als kniffelig gilt es, die Fundamente in 15 bis 25 Metern Wassertiefe zu bauen. „Das erfordert enormen Kapitalbedarf und viel Ingenieurswissen“, räumt Trittin ein. Die Flächen müssen außerdem außerhalb von Wattenmeer, Naturschutz- und Vogelschutzgebieten, sowie Schifffahrtsrouten oder Fischgründen liegen. Von der Gesetzesnovelle erhofft Trittin sich daher einen „Beschleunigungsschub“. Bis zum Jahr 2025 sollen neue Windräder mit einer Leistung von bis zu 25 000 Megawatt entstehen. Schon jetzt kommt ein Drittel des global erzeugten Windstroms aus Deutschland. Stärker gefördert werden sollen außerdem kleine Biomasse-Unternehmen. Trittin kündigte an, die Novelle werde im Laufe des Jahres 2004 in Kraft treten. Die Union drückt jedoch aufs Tempo. „Wir möchten das noch in diesem Jahr abschließen“, fordert der umweltpolitische Sprecher Peter Paziorek.

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