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In den USA wird eine härtere Variante des Kapitalismus bevorzugt, während es in Europa, vor allem in den nordischen Ländern, in der Arbeits- und Wirtschaftswelt eher "cuddly" - also gemütlich - zugeht.

© dpa

Ausprägungen des Sozialstaats: Schmusekissen oder hartes Holz

Die USA und Europa trennen Welten - zumindest was ihre Vorstellungen vom Sozialstaat angeht. Drei Ökonomen wollen nun herausgefunden haben, dass das eine System nicht ohne das andere bestehen kann. Klingt doch erst mal gut, denkt man sich. Nur: Gut für wen?

Der Kapitalismus ist bekanntlich nicht so leicht kleinzukriegen, der Sozialismus jedenfalls hat den Kampf verloren. Wenn auch nach Meinung verbliebener Anhänger nur vorübergehend. Denn irgendwann werde er doch noch an seinen Widersprüchen zusammenklappen, der Kapitalismus.

Dass er noch nicht das Zeitliche gesegnet hat, hängt natürlich auch damit zusammen, dass er einerseits doch eine gewisse Dynamik entfaltet (wenn auch gelegentlich zu viel davon, was dann regelmäßig wieder zum Katzenjammer namens Rezession führt). Vor allem mit Nordamerika wird diese Seite gern verbunden, von den einen mit neidvollen Blicken, von anderen mit Angst in den Augen. Andererseits war und ist der Kapitalismus auch dazu bereit, sich schamlos beim Sozialismus zu bedienen, wenn es um den Ausgleich zwischen den Gewinnern und Verlierern geht oder zwischen den mehr oder weniger Dynamischen. Das nennt sich bekanntlich Sozialstaat und ist ein weltweit verbreitetes Modell. Vor allem aber ist es ein europäisches Modell, als mustergültig gelten gemeinhin die nordischen Länder.

Die Ökonomen Daron Acemoglu, James A. Robinson und Thierry Verdier haben unlängst (www.voxeu.org) ziemlich zugespitzt die eine Variante als cut throat capitalism bezeichnet, also als unbarmherzigen Halsabschneider-Kapitalismus. Und die andere als cuddly, was man als Kuschelkapitalismus übersetzen kann. Deutschland ist natürlich deutlich mehr cuddly als cut throat, Japan auch, während die Briten zum Beispiel sich nach einer – nicht ganz erfolgreich verlaufenen – relativ sozialistischen Phase heute wieder weniger cuddly fühlen.

Die etwas unbequeme These der drei Ökonomen lautet nun, dass die Schmusekissenvariante ohne die Knallhartausgabe gar nicht bestehen kann. Zwar würden beide kapitalistischen Subsysteme ungefähr das gleiche Wachstum generieren, aber entscheidend sei das Wachstum des vor allem von den USA verfolgten Wirtschaftsmodells. Das ziehe die anderen quasi mit. Und das hänge wiederum mit der technologischen Führungsrolle der Vereinigten Staaten zusammen. Cut throat bedeute, dass die Gesellschaft insgesamt reicher, aber auch ungleicher sei. Wobei aus der Ungleichheit wiederum der Anreiz stammt, erfindungsreich zu sein und den technologischen Wandel voranzutreiben. Cuddly heißt dagegen, dass mehr Gleichheit mit weniger Wohlstand erkauft wird, wobei das größere Maß an Sozialversicherung den Mangel an Reichtumsverheißung ersetzt.

Das mag nun stimmen oder nicht. Aber wenn die drei Ökonomen recht haben und wenn die aktuelle Krise für die USA bedeutet, auch mehr cuddly zu werden (weil weniger Dampf im System ist, sich der Aufsteigertraum nicht mehr im bisherigen Umfang verwirklichen lässt und daher mehr sozialstaatlicher Ausgleich geboten werden muss, was ja Obamas Erfolg erklären könnte) – tja, dann ließe sich auch das europäische Modell so nicht mehr fortsetzen. Und wenn man sieht, dass sich die nordischen Staaten, zum Beispiel Schweden, in den letzten Jahren schon nicht mehr ganz so cuddly eingerichtet haben, dann ist es vielleicht sogar schon so weit.

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