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Die Polizei untersucht am Tatort.

© Reuters

Ausschreitungen in Südafrika: Tod in der Platinmine

Während eines illegalen Streiks von Bergarbeitern in Südafrika eskaliert die Gewalt. Es gibt Dutzende Opfer. In dem Konflikt geht es um Geld, Einfluss, den Weltmarkt – und eine überforderte Polizei.

Viele Südafrikaner trauten am Freitag ihren Augen nicht. Was sie dort im Fernsehen und Internet sahen, dürfte viele an die blutigsten Tage der Apartheid erinnert haben. Nur waren die Beteiligten diesmal fast ausnahmslos schwarz: auf der einen Seite tausende Bergarbeiter, bewaffnet mit Äxten, Stahlrohren, Buschmessern und Holzkeulen. Auf der anderen schwer bewaffnete Polizisten, die die streikenden Arbeiter mehrfach zur Beendigung ihres illegalen Streiks aufriefen.

Augenzeugen berichteten, dass sich eine gewaltige Phalanx mehrerer tausend Bergarbeiter westlich von Pretoria am Donnerstagnachmittag unter Kriegsgesängen auf die Polizei zubewegt und dabei zuvor errichtete Absperrungen aus Stacheldraht durchbrochen habe. Einigen Berichten zufolge hatten die Arbeiter zuvor an einem Ritual teilgenommen und danach glaubten sie offenbar, gegenüber den Kugeln der Polizei unverwundbar zu sein. Als die Streikenden einen Panzerwagen der Polizei angriffen, begann die, das Feuer mit scharfer Munition zu eröffnen, berichtete die Nachrichtenagentur Sapa. Binnen weniger Minuten verwandelte sich das trockene Busch- in ein Schlachtfeld. Nach Angaben der Polizei starben 34 Bergarbeiter, rund 80 wurden teils schwer verletzt. Bereits in den Vortagen waren auf der Mine im Zuge des Streiks zehn Menschen ums Leben gekommen, darunter zwei Wachleute und zwei Polizisten, die vom Mob zu Tode gelyncht worden waren, was die Spannungen weiter verschärft hatte.

Video: Tote bei Polizeieinsatz in Südafrika

Die Gründe dafür, dass die Lage im südafrikanischen Platingürtel, etwa 100 Kilometer westlich von Johannesburg, derart eskalieren konnte, sind vielschichtig. Ganz obenan steht die erbitterte Rivalität zwischen zwei Minengewerkschaften – der seit langem etablierten National Union of Mineworkers (NUM) und der radikaleren und zuletzt stark angewachsenen Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU). Beide kämpfen bereits seit einigen Monaten zunehmend blutig miteinander um die Vorherrschaft auf den Minen. Auf dem Spiel stehen dabei mehr als 100 Millionen Rand (zehn Millionen Euro) Mitgliedsbeiträge.

Die kleinere AMCU bezichtigt die alteingesessene NUM zudem, mit Gewalt gegen Arbeiter vorzugehen, die zu ihr überlaufen. Daneben beklagen viele Kumpel, dass die NUM im vergangenen Jahr schlecht mit den Minenbetreibern verhandelt habe, als sie den Lohnabschluss für zwei Jahre festschrieb. Mehr als 3000 Kumpel verlangen nun sofort eine Verdreifachung ihrer Löhne von 4500 Rand (450 Euro) auf 12.500 Rand im Monat und wollen die Forderungen nur direkt mit dem Minenbetreiber Lonmin verhandeln, der dies ablehnt. Vieles deutet darauf hin, dass die Eskalation der Lage auch eine soziale Dimension hat, weil die umliegenden Ortschaften nach ihrem Empfinden nur wenig von der Förderung des weißen Metalls profitieren.

Schließlich hat auch die Regierung um Staatschef Jacob Zuma versagt. Obwohl der Streik in den letzten Tagen immer militanter wurde und die Streikenden mit der Ermordung von Polizisten, Wachleuten und arbeitswilligen Kumpeln immer brutaler vorgingen, meldeten sich weder der Präsident noch sein Polizeiminister zu Wort. Auch wurden von der – schlecht ausgebildeten und überforderten – Polizei keine Versuche unternommen, die Bergarbeiter frühzeitig zu entwaffnen.

Südafrikas Platinförderer haben ihrerseits wenig Spielraum. Seit Monaten liegt der Platinpreis mit 1400 Dollar pro Unze gerade einmal so hoch wie die in den letzten Jahren stark gestiegenen Förderkosten. Viele der Produzenten schreiben inzwischen rote Zahlen und schließen unrentable Schächte. Ein Überschuss an Platin und die anhaltend unsichere Lage in der Autoindustrie, die rund 50 Prozent des Edelmetalls für den Bau von Katalysatoren abnimmt, drücken auf den Platinpreis. Für Südafrika als Investitionsstandort sind die blutigen Zusammenstöße ein neuer Rückschlag. Der Ruf des Landes als ein stabiles Anlageziel dürfte leiden, zumal erst im vergangenen März eine andere große Platinmine wochenlang bestreikt wurde.

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