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Politik: Außer Kontrolle?

Das Regime in Pjöngjang steht nicht nur außenpolitisch unter Druck

Nordkorea kämpft derzeit an zwei Fronten. Knapp eine Woche reiste US-Außenministerin Condoleezza Rice durch Asien, und überall standen die Atompläne Pjöngjangs auf dem Gesprächsprogramm. Sie warnte sogar vor „anderen Optionen“, sollte das Regime nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren. Peking erklärte sich am Montag bereit, zu vermitteln. Doch Nordkorea zeigte sich gewohnt uneinsichtig. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap zitierte am Montag einen Bericht des nordkoreanischen Rundfunks. Danach hat das Land sein Atomwaffenarsenal als Reaktion auf angebliche Angriffspläne der USA ausgebaut. Von Verhandlungen kein Wort.

Pjöngjangs Diktator Kim Jong Il will mit seiner harten Haltung möglicherweise nicht nur das Ausland beeindrucken. Er könnte dabei auch den Zusammenhalt im Innern im Blick haben, denn Beobachter gehen davon aus, dass seinem Regime die Kontrolle über die verarmte Bevölkerung entgleitet. In einigen Regionen kann die Ordnung offenbar nur noch durch abschreckende drakonische Strafen aufrechterhalten werden. Darauf deutet ein Video hin, das derzeit von Japans Medien ausgestrahlt wird und über das die „New York Times“ berichtet. Es zeigt öffentliche Hinrichtungen. Schauplatz ist den Berichten zufolge Hoeryong, eine bei China gelegene Grenzstadt.

Auf dem Band sind drei Polizisten zu sehen. Sie legen ihre Gewehre an und schießen auf zwei gefesselte Männer. Als die Fesseln der Hingerichteten gelöst werden, fallen die toten Körper auf den Boden. Allein in Hoeryong sollen nach Angaben der Kommission zur Hilfe von nordkoreanischen Flüchtlingen, einer Organisation in Seoul, in diesem Winter 75 Menschen erschossen worden sein. „Die Bilder, die ich gesehen habe, sind real und erschreckend“, sagte Peter Beck von der International Crises Group der „New York Times“.

Anderen Berichten zufolge, sollen in manchen Grenzstädten Poster Kim Jong Ils beschmiert oder abgehängt worden sein. Ein für Nordkorea ungeheuerlicher Vorgang: Wer den gottgleichen „Geliebten Führer“ kritisiert, kommt meist direkt ins Arbeitslager. Dennoch scheint sich in den Grenzregionen der Griff des Regimes zu lockern. Die Einfuhr von Handys in das abgeschottete Land ist zwar untersagt. Berichten zufolge sollen Nordkoreaner entlang der Grenze jedoch heimlich das chinesische Mobilfunknetz für Gespräche mit dem Ausland benutzt haben. Und nicht zuletzt südkoreanische Fernsehserien untergraben die offizielle Propaganda. Sie kursieren mittlerweile überall im Norden als Videokassetten. „Heute ist es cool für Nordkoreaner, wie Südkoreaner auszusehen “, sagt der russische Nordkoreaexperte Andrei Lankov.

Harald Maass[Peking]

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