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Hotzenplotz, Spießbürger, Belastungsideologen: Die Gegner der FDP stehen fest.

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Update

Außerordentlicher FDP-Parteitag in Nürnberg: FDP für weitere Mindestlöhne - Parteichef Rösler setzt sich durch

Auf dem Bundesparteitag der FDP hat Rösler seine Parteifreunde hinter sich gebracht. Nach heftigen Kontroversen haben sich die Parteimitglieder grundsätzlich für weitere Mindestlöhne in Deutschland ausgesprochen.

Von Antje Sirleschtov

Die Sache mit dem Räuber Hotzenplotz, das sei hier nur ganz nebenbei gesagt, war ein bisschen schief gegangen. Weshalb irgend jemand der Ehefrau von FDP-Chef Philipp Rösler und dessen Zwillingstöchtern empfehlen sollte, dem Papa die drei Kinderbücher mal von vorne bis hinten vorzulesen. Gleich zu Beginn des Parteitages der FDP an diesem Samstag in Nürnberg hatte Rösler nämlich Grünen-Spitzenmann Jürgen Trittin mit dem Räuber von Otfried Preußler verglichen - einem ganz Bösen also, der allen Steuerzahlern das Geld aus der Tasche ziehen will.

„Der Wahlkampf ist eröffnet“ hatte Rösler vorher den gut 600 Delegierten zugerufen und mit Trittin und den Grünen auch gleich den Hauptfeind klar benannt, den es für alle Liberalen bis zur Bundestagswahl im September zu bekämpfen gilt. Ein Robin Hood und damit einer, der den Reichen nimmt und den Armen gibt, sagte Rösler, so einer sei Trittin nicht. Der Hotzenplotz aus Preußlers Kinderbuchtrilogie aber ist eigentlich gar nicht so böse. Zum Schluss der Trilogie jedenfalls wird Hotzenplotz rehabilitiert und geht als einer von den Guten ins Gedächtnis der Kinder ein. Ein Ausgang der Geschichte, die sich der FDP-Vorsitzende Rösler für Jürgen Trittin bestimmt nicht wünscht. Aber wie gesagt: Das nur nebenbei.

Denn im Zentrum dieses Parteitages im bayerischen Nürnberg steht für die FDP der Blick in die nächsten fünf Monate. Seit gut drei Jahren regieren die Liberalen mit der Union dieses Land. Sie haben auf dem Weg einen und beinahe auch einen zweiten Vorsitzenden verloren, beinahe wäre die Partei in Europagegner und -befürworter gespalten worden und nach unzähligen politischen Pannen und Fehlern geht die Partei verunsichert und durch wöchentlich miese Umfragewerte demotiviert in den Wahlkampf. Philipp Röslers Aufgabe bei diesem Parteitag bestand deshalb in erster Linie darin, seinen Mitgliedern ein wenig Selbstvertrauen und Wahlkampfmut mitzugeben. Und am Ende des ersten Tages muss man sagen: Das ist ihm auch gelungen. Erstaunlich gut sogar. Schließlich hat Rösler in den letzten zwei Jahren auch schon Parteitage mit seinen Reden gelangweilt und enttäuscht.

Keine asoziale Truppe von Steuersenkern und Mindestlohnverhinderern

An diesem Samstag aber hat er seine Parteifreunde hinter sich gebracht. Weil er ihnen erklärt hat, warum sie keine asoziale Truppe von Steuersenkern und Mindestlohnverhinderern sind sondern die Werte der Sozialen Markwirtschaft vertreten. Und weil er der FDP einen klaren Wahlkampfkurs vorgegeben hat: „Das wird ein Richtungswahlkampf. Hier sind wir und auf der anderen Seite stehen Sozialdemokraten, Grüne und Linke“. Solch klare Worte helfen, dass alle in der FDP zusammen rücken. Die, die weiter von der Steuersenkungspartei FDP träumen. Und auch die, die das mittlerweile für einen Kampf aus einer längst vergessenen Zeit ansehen. Denn auch diesen inhaltlichen Kampf gibt es noch innerhalb der Partei. Wie so viele andere - von der Haltung zu europäischen Rettungsprogrammen bis hin zur Einführung einer Frauenquote.

Aber all diese Kämpfe sollen jetzt keine Rolle spielen, denn jetzt ist Wahlkampf angesagt und die FDP steht in den Umfragen mal bei vier, mal bei fünf Prozent, also am Abgrund. Und von der Seite droht die neue Partei „Alternative für Deutschland“, enttäuschte Liberalen-Wähler abzuziehen.

Philipp Rösler geht an diesem Samstag auf all diese Dinge nicht direkt ein. „Unsere Koalition war vier Jahre gut für Deutschland“, lobt er Schwarz-Gelb und schwört seine Partei auf die Fortsetzung dieses Regierungsbündnisses ein. Keine Koalition mit den Steuererhöhungsparteien SPD und Grün also, das geht nach diesem Parteitag in Nürnberg nicht mehr. Zu klar hat sich Rösler von den Steuerplänen von Rot-Grün distanziert. Sie würden „die Mitte Deutschlands belasten“ und den Mittelstand bedrohen. Steuererhöhungen für Familien seien nicht gerecht, schimpft Rösler, die „Grenzen der Belastbarkeit sind erreicht“. So sehr verhasst ist dem Liberalen-Vorsitzenden die geplante Anhebung der Steuern, dass er SPD und Grünen sogar eine europapolitische Umverteilung zu Lasten der Deutschen unterstellt. Die Familien sollten nur deshalb mehr Steuern zahlen, unterstellt er Peer Steinbrück und Jürgen Trittin, damit die anderen südeuropäischen Länder mit den deutschen Steuermehreinnahmen ihre Schulden abbauen können. Und das gehe natürlich mit den Liberalen nicht. „Belastungsideologen“ nennt Rösler die Grünen, an denen er sich besonders intensiv abarbeitet und „Spießbürger“ auch, weil sie „gegen alles sind, was Freude macht“ und überall in die Lebensbereiche der Menschen hineinregieren wollten.

Für Rösler widersprechen sich Mindestlohn und soziale Marktwirtschaft nicht

Mit Spannung hatten die Delegierten erwartet, wie der Parteivorsitzende seine Partei zur Aufnahme eines Mindestlohnes ins Wahlprogramm überreden würde. Im Vorfeld des Parteitages hatte es dazu heftigen Streit innerhalb der Landesverbände gegeben. Während etwa der größte liberale Landesverband Nordrhein-Westfalen sich für eine Lohnuntergrenze aussprach, schimpften Bayern und Thüringer und Sachsen dagegen und warnten eindringlich davor, das marktwirtschaftliche Profil der Partei zu schleifen und dadurch bis zum September auch noch die letzten Wähler zu verlieren.

Doch Rösler sieht überhaupt keinen Widerspruch zwischen Mindestlöhnen und dem Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft. Sein Stichwort lautet: Leistungsgerechtigkeit, die nicht nur für die oberen Teile der Gesellschaft sondern auch für die Kleinstverdiener gelten müsse. In seine Vorstellung von der Sozialen Marktwirtschaft, sagte Rösler, würden „Geschäftsmodelle, wo Mitarbeiter drei Euro in der Stunde verdienen“, nicht hineinpassen. Die Tarifautonomie müsse auch in Zukunft für die Lohnhöhe verantwortlich sein, sagte Rösler und begründete damit, dass es mit der FDP keinen einheitlichen, gesetzlichen und flächendeckenden Mindestlohn, wie ihn Rot-Grün anstrebt, geben könne. Aber, so Rösler, den Menschen in Regionen, wo es keine Tarifpartner gibt, nütze der Hinweis auf die Tarifautonomie nichts. Und das sei ja schließlich die Aufgabe liberaler Politik: Lösungen für die Probleme der Menschen finden. Auch für die Menschen dort, wo es weder starke Gewerkschaften noch Arbeitgeberverbände gibt. Also, findet Rösler, müsse es eine Mindestlohnlösung für diese Menschen geben.

Nach heftigen Kontroversen haben sich auch die Parteimitglieder grundsätzlich für weitere Mindestlöhne in Deutschland ausgesprochen und sich damit hinter ihren Vorsitzenden Philipp Rösler gestellt. Die Delegierten stimmten am Samstagabend in Nürnberg mit 57,4 Prozent für seinen Kurs. (mit dpa)

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