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Australien: Katholik gegen Atheistin

Im Wahlkampf in Australien geht es vor allem um Flüchtlinge, Einwanderung – und am Rande auch um den Klimawandel.

Julia Gillard schlägt ein frenetisches Tempo an. Die erste Frau an der Regierungsspitze Australiens bereist das einzige Land, das einen gesamten Kontinent umfasst, rastlos von Ost nach West, Nord nach Süd und legt zehntausende Kilometer in Flugzeugen, Hubschraubern und Limousinen zurück. Die Premierministerin kämpft um ihre politische Karriere, nur Wochen, nachdem sie ihren Vorgänger mit einem spektakulären Coup abgelöst hat. Am 21. August muss die Labor-Politikerin beweisen, ob sie auch in einer Wahl erfolgreich sein kann.

Ihr konservativer Gegenspieler Tony Abbott hat derzeit die Nase knapp vorn, die sozialdemokratisch ausgerichtete Partei Gillards könnte sich als erste seit fast 80 Jahren nach nur einer Wahlperiode in der Opposition wiederfinden. Beide Parteien kämpfen in Australien verbissen um die Mitte. Beobachter haben die Kampagne als „langweilig“ abgetan. Dabei könnten Gillard und Abbott kaum gegensätzlicher sein. Die Premierministerin ist ledig, Atheistin und wird dem linken Flügel ihrer Partei zugeordnet. Abbott ist praktizierender Katholik, wollte sogar Priester werden, ist verheiratet und hat drei Töchter und gilt vor allem in moralischen Belangen als äußerst konservativ.

Bis vor kurzem unterschieden sich ihre Standpunkte zumindest in Umweltfragen drastisch. Während Abbott die globale Erwärmung als „Unsinn“ abtat, unterstützte Gillard unter ihrem früheren Chef Kevin Rudd dessen Konzept zur Einführung eines Emissionshandels. Seitdem dies im Oberhaus des Parlaments in Canberra gescheitert war, hat die Laborpartei einen Rückzieher gemacht, der zu Rudds Fall beitrug. Denn Rudd hatte die Klimafrage zum „wichtigsten moralischen Problem unserer Generation“ erklärt, unternahm aber letztendlich nichts. Gillard hat inzwischen die Einberufung einer „Bürgerversammlung“ angekündigt, was von ihren politischen Gegnern wohl nicht ganz zu Unrecht als Verzögerungstaktik bezeichnet wurde. Abbott will durch „praktische Maßnahmen“ der Erderwärmung begegnen, an die er offenbar mittlerweile glaubt.

Während die Umwelt im Wahlkampf eine überraschend untergeordnete Rolle spielt, gehören die Behandlung von Flüchtlingen und generell Einwanderung zu den bedeutenden Themen. „Stoppt die Boote“ ist ein täglich wiederkehrendes Mantra bei Abbotts Auftritten. Gemeint sind die Boote mit Flüchtlingen, „illegalen Einwanderern“ wie Abbott sie nennt, die in diesem Jahr in regelmäßigen Abständen auf dem Weg nach Australien von der Marine abgefangen werden. Rund 4000 Menschen auf gut 80 Schiffen kamen seit Anfang des Jahres aus Indonesien. An Bord waren Flüchtlinge vor allem aus Afghanistan und Sri Lanka. Abbott hat versprochen, die Flüchtlingsschiffe „umzudrehen“. Mit diesem Thema hatten die Konservativen schon Wahlen gewonnen, ihr hartes Vorgehen gegen Asylbewerber war zwar weltweit kritisiert worden, aber zu Hause gut angekommen.

Gillard hat sich mit einem unausgegorenen Lösungsvorschlag selbst ins Abseits manövriert. Ihre Idee, Flüchtlinge in einem Lager im nördlich von Australien gelegenen Osttimor unter Aufsicht des UN-Flüchtlingskommissariats unterzubringen, war mit dem armen Nachbarn kaum abgesprochen und wurde von dessen Parlament flugs abgelehnt.

Unklarheiten herrschen auch bei der generellen Einwanderung. Australien betreibt seit Jahren das größte Einwanderungsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg. Rund 300 000 Menschen lassen sich pro Jahr auf dem fünften Kontinent nieder. Diese Welle begann unter dem konservativen John Howard, der im November 2007 nach mehr als elf Jahren im Amt von Rudd abgelöst worden war. Abbott will die Quote auf 170 000 senken. Unter Rudd war noch von einem gewaltigen Bevölkerungszuwachs die Rede gewesen, bis 2050 sollte die Zahl der Einwanderer von derzeit 22 auf 35 Millionen steigen.

Obwohl Australien zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Welt gehört, haben Meinungsumfragen ergeben, dass die meisten Einwohner keinen großen Bevölkerungszuwachs wollen, obwohl das Land seit Ende des zweiten Weltkrieges rund sechs Millionen Einwanderer relativ problemlos absorbiert hat. Darunter übrigens auch die beiden Kandidaten für den Chefposten der Regierung, Gillard kam im Alter von sechs Jahren aus Wales, Abbott wurde in England geboren und war drei Jahre alt, als seine Familie nach Australien übersiedelte.

Die Wahlen werden auch darüber Auskunft geben, ob das „traditionelle Männerland Australien“, in dem immer noch der Traum vom „toughen Outback“ geträumt wird, obwohl die Bevölkerung fast ausschließlich in großen Städten an der Küste wohnt, bereit für eine weiblich Regierungschefin ist. Und schon gar eine, die nie verheiratet war, keine Kinder hat und ohne Trauschein mit einem Friseur zusammenlebt. Zwar hat Abbott es tunlichst und taktisch geschickt vermieden, darauf jemals anzusprechen, aber er präsentiert bei jeder Gelegenheit seine Familie.

Alexander Hofmann[Mona Vale]

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