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Erste Rufe nach seinem Rücktritt werden laut: Australiens Premier Malcolm Turnbull nach den Wahlen.

© William West/AFP

Australien: Wahlschlappe für Konservative

Bei den Parlamentswahlen erhält Malcolms Turnbulls Partei weitaus weniger Stimmen als erwartet. Die Schuld sieht sie bei der Labor-Partei.

Australien politisches Chaos setzt sich auch nach den jüngsten Parlamentswahlen fort. Nach Jahren ständiger Führungswechsel haben die Wähler dem erst seit zehn Monaten amtierenden Premierminister Malcolm Turnbull am Samstag ein klares Mandat verweigert. Erst im Laufe der kommenden Woche wird sich herausstellen, ob Turnbull nach massiven Verlusten überhaupt mit seiner konservativen Koalition im Parlament von Canberra regieren kann oder gar auf unabhängige Abgeordnete angewiesen ist.

Der 61-jährige Multimillionär ließ sich bis eine halbe Stunde nach Mitternacht Zeit, bevor er endlich bei der Wahlparty seiner Liberalen Partei in Sydney auftauchte. Der sonst so eloquente Redner wirkte schwer angeschlagen und schockiert, als ob er einfach nicht verstehen konnte, warum ihn die Wähler nicht zum strahlenden Sieger gemacht hatten. Labor-Chef Bill Shorten ließ sich dagegen in Melbourne feiern, obwohl alles darauf hindeutet, dass er nicht der zukünftige Premierminister sein wird.

Im Unterhaus hat die konservative Koalition bisher 65 Sitze sicher, 67 gehen an die sozialdemokratisch ausgerichtete Labor-Partei, vier an unabhängige Abgeordnete, einer an die Grünen, 13 hängen noch in der Schwebe, die meisten tendieren aber Richtung Konservative. Das Ergebnis war noch vorläufig, da Briefwahlstimmen und solche, die schon vor dem Wahltag in einigen Wahllokalen abgegeben worden waren, überraschend erst Dienstag ausgezählt werden sollten. Im Parlament mit 150 Sitzen sind für eine Mehrheit 76 Mandate nötig. Bislang hatte die Koalition 90 Sitze, Labor 55.

Ermittlungen wegen Labor-SMS

Nach den letzten Vorhersagen des staatlichen Fernsehsenders ABC ist es unwahrscheinlich, dass die Konservativen die für eine Mehrheit nötigen Sitze erhalten. Turnbull behauptete dagegen, er sei „vorsichtig zuversichtlich“, aus eigener Kraft regieren zu können. Er warf der Labor-Partei Wählerbetrug vor. Sie hatte am Samstag während der Stimmabgabe tausende SMS verschickt mit der Warnung, die Regierung wolle den Gesundheitsdienst Medicare privatisieren. Viele Empfänger dachten, die Botschaft käme von Medicare direkt. „Diese Lüge hat uns leider Stimmen gekostet“ sagte Turnbull. Seine Partei beschwerte sich, die Polizei nahm Ermittlungen auf.

Seit 2010 hat sich das Führungskarussel in Australien mit schwindelerregender Geschwindigkeit gedreht. Labor-Premierminister Kevin Rudd war durch einen parteiinternen Coup von seiner Stellvertreterin Julia Gillard abgelöst worden, bevor Labor unmittelbar vor den Wahlen 2013 Gillard in den Rücken fiel und Rudd wieder ins Amt hievte.

Turnbull kämpft ums politische Überleben

Die Konservativen, die Hohn und Spott über ihre Konkurrenten ausgeschüttet hatten, brauchten nicht einmal zwei Jahre, um exakt das gleiche politische Schauspiel aufzuführen. Turnbull stürzte den erzkonservativen Tony Abbott, die Parteirechte unterstützte ihn mit knirschenden Zähnen, weil sie glaubte, dass nur der umgänglichere Turnbull ihnen einen Wahlsieg garantieren könnte.

Doch nach dem unerwartet schwachen Abschneiden scheinen Turnbulls Tage jetzt gezählt. Noch in der Wahlnacht riefen konservative Kommentatoren zu seinem Rücktritt auf. Turnbull muss um sein politisches Überleben kämpfen. Bereits am Sonntag begann er sicherheitshalber Sondierungsgespräche mit einigen Unabhängigen.

Und selbst wenn Turnbull noch eine Mehrheit erreicht, bleibt fraglich, ob er angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse und der großen Zahl Unabhängiger in der Lage sein wird, seine umfassende Unternehmenssteuerreform durchzuführen, eine Volksabstimmung über die Zulassung der Schwulenehe abzuhalten und Veränderungen an der staatlichen Pension durchzusetzen.

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