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Demonstration der Linken in Berlin gegen die Finanzpolitik. Trotz allgemein kapitalismuskritischem Gesellschaftsklima kann die Linke nicht punkten.

© dapd

Austritte und Nachwuchsprobleme: Linke verliert massiv Mitglieder

Die Linke leidet unter Mitgliederschwund. Nur noch 70.000 Genossen zählt die Partei. Vielen fehlt die Transparenz. Im Osten liegt der Rückgang zum größten Teil am Alter der Mitglieder.

Von Matthias Meisner

Die Linke fürchtet um ihre Rolle als Mitgliederpartei. In einer Analyse der „Projektgruppe Linke 2020“ ist von „enorm hohen“ Mitgliederverlusten seit 2010 die Rede. Vor allem die Zahl der Austritte müsse dringend reduziert werden, damit die Partei nicht weiter an Bedeutung verliere. Das dem Tagesspiegel vorliegende Papier, das an diesem Wochenende vom Parteivorstand beraten werden soll, sagt voraus, dass die Mitgliederzahl von 78 000 vor zwei Jahren bis zum Jahr 2020 auf etwa 58 000 zurückgehen werde, wenn der Entwicklung nicht bald Einhalt geboten wird.

Zuvor hatte bereits der frühere Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch Alarm geschlagen. Die Mitgliederentwicklung sei „leider nicht positiv“, sagte er vor einigen Tagen auf dem Landesparteitag in Sachsen: „Es ist so, dass unser politischer Einfluss nachweisbar zurückgegangen ist. Wir sind wieder bei 70 000.“ Bundesschatzmeister Raju Sharma bestätigte dem Tagesspiegel diese Zahl.

2002 hatte die PDS einen ähnlichen Wert, sie scheiterte bei der Bundestagswahl an der Fünfprozenthürde. Wieder aufwärts ging es erst von 2005 an, nachdem sich WASG und PDS auf ein Linksbündnis verständigt hatten. In der Analyse der Projektgruppe heißt es dazu, insbesondere im Westen sei die Linke in den ersten Jahren ihres Bestehens „stürmisch gewachsen“. Aber: „Seit 2010 verliert Die Linke mehr Mitglieder, als sie hinzugewinnt.“ Zum Vergleich: Die beiden großen Volksparteien SPD und CDU haben jeweils 500 000 Mitglieder, die Linke wiederum liegt mit ihren 70 000 nur noch knapp vor der FDP, mit einigem Abstand folgen die Grünen.

Drei zentrale Entwicklungen gibt es: Etwa die Hälfte der 5770 Abgänge in den ersten neun Monaten des Jahres 2011 geht auf Austritte zurück. Wird dafür ein Grund angegeben, so lautet er in den meisten Fällen „Unzufriedenheit mit der örtlichen Parteiorganisation“ beziehungsweise „Streit im Kreisverband“. Negativ ins Gewicht fallen daneben Todesfälle und Kündigungen der Mitgliedschaft wegen Krankheit oder Alter, eine Entwicklung vor allem in Ostdeutschland, wo die Genossen im Durchschnitt 20 Jahre älter sind als im Westen.

Die Folge dort: nicht nur „schmerzhafte Verluste an Lebenserfahrungen und Engagement“, sondern auch „starke finanzielle Verluste, da in diesen hohen Altersklassen der Durchschnittsbeitrag sehr hoch ist“. Und schließlich: Fast 1500 Mitglieder wurden 2011 bis September im Rahmen von „Karteibereinigungen“ gestrichen: Sie hatten keinen Beitrag mehr gezahlt. Vor allem im Westen haben sich offenbar in der Gründungsphase viele der Linkspartei spontan angeschlossen, bald aber auch wieder enttäuscht abgewandt.

„In vielen Fällen stellt sich beim Austritt heraus, dass sich nie jemand um das Mitglied gekümmert hat“, schreiben die Verfasser des Papiers, Bundesgeschäftsführer Werner Dreibus, Schatzmeister Sharma und Claudia Gohde als Leiterin der Bundesgeschäftsstelle.

Verärgert merken laut Bericht der Projektgruppe viele Mitglieder an, dass die Linke in ihren Programmen zwar ein Höchstmaß an Beteiligung und Transparenz fordere, davon aber innerparteilich zu wenig zu spüren sei. Viele Informationen würden schlicht „versickern“, heißt es nach Befragungen von Genossen – und zwar sowohl „von oben nach unten“ als auch „von unten nach oben“.

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