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Ayten Kilicarslan: "Der Staat ist nicht bereit, mit muslimischen Frauen zu sprechen"

Die Vorsitzende des Aktionsbündnisses muslimischer Frauen, Ayten Kilicarslan, spricht mit dem Tagesspiegel über Forderungen für die Islamkonferenz und Gleichberechtigung.

Ayten Kilicarslan, 44, ist die Vorsitzende das Vereins „Aktionsbündnis muslimischer Frauen“, zuvor leitete sie ein Bildungswerk für muslimische Frauen in Köln.

Frau Kilicarslan, Ihr Verein wollte an der Islamkonferenz teilnehmen, nun ist eines Ihrer Vorstandsmitglieder, die Theologin Tuba Isik-Yigit, als Einzelperson dort im Plenum vertreten. Ist das ein Manko?

Nicht unbedingt, weil wir sie natürlich auch als unsere Vertretung dort sehen. Es zeigt aber, dass der Staat noch nicht bereit ist, mit organisierten muslimischen Frauen zu sprechen. Ob die Politik die Frauenthematik wirklich ernst nimmt, das werden wir sehen.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat angekündigt, er wolle Gleichberechtigung zu einem Schwerpunkt der Islamkonferenz machen. Was sind Ihre Forderungen?

Die Belange von Frauen sollen mehr im Fokus liegen und zwar nicht nur reduziert auf Klassenfahrten und Schwimmunterricht. Wenn es zum Beispiel um Lehrstühle für islamische Theologie in Deutschland geht, dann sollte von Anfang an klar sein, dass die Hälfte dieser Professuren an Frauen vergeben wird. Und wenn über islamischen Religionsunterricht nachgedacht wird, müssen die islamischen Quellen, die die Gleichberechtigung von Mann und Frau fordern und fördern, sich in den Lehrplänen widerspiegeln.

Was lief bei der letzten Islamkonferenz falsch?

Es wurde nicht konstruktiv gesprochen. Entweder wurden Religion und Kultur oder die islamischen Verbände angegriffen. Dabei gibt es bei den Verbänden gerade in den letzten Jahren positive Entwicklungen, die man sichtbar machen und fördern sollte. Wenn zum Beispiel zum ersten Mal in einem Moscheeverein in Deutschland Männer eine Frau zur Vorsitzenden wählen, würde ich mir Schlagzeilen wünschen.

Spielen Religion oder Kultur denn gar keine Rolle für bestimmte Probleme?

Wenn wir zum Beispiel über häusliche Gewalt sprechen, dann sind davon ja bei weitem nicht nur muslimische Frauen betroffen. Trotzdem wird häufig eine Religionsdiskussion daraus gemacht und das ist fatal. Denn die Hauptursache, eine patriarchale Erziehung der Geschlechter, kann man nur bekämpfen, wenn man sie auch als das eigentliche Problem erkennt.

Ihr Aktionsbündnis besteht als Netzwerk seit zwei Jahren und seit ein paar Monaten als eingetragener Verein. Wofür stehen Sie?

Bei uns kann jede Frau mitmachen, die sich als Muslimin sieht. Damit wollen wir auch zeigen, dass natürlich nicht jede muslimische Frau gleich ist, sondern es unterschiedlichste Lebensentwürfe gibt. Es gibt bei uns sehr liberale, sehr familienorientierte, sehr konservative, sehr feministische Positionen. Und jede kann die islamischen Quellen so verstehen wie sie möchte. Unser Verein hat das Ziel, all diese Frauen miteinander zu vernetzen, damit wir gemeinsam Verbesserungen erreichen.

Dazu zählt für Sie auch, das Kopftuch in allen Berufen zuzulassen.

Ja, weil das Verbot und die Diskussion darum bewirkt haben, dass kopftuchtragende Frauen in allen möglichen Berufen schräg angeschaut oder gar nicht erst eingestellt werden. Und das ist diskriminierend. Wir wollen die Frauen nicht auf diese Weise separieren. Jede einzelne Frau sollte als Individuum und als selbstbestimmter Mensch wahrgenommen werden, von der Gesamtgesellschaft genauso wie von der muslimischen Community. Wir wehren uns ja auch gegen Vorurteile gegenüber nicht-kopftuchtragenden Frauen. Überhaupt sollte man Menschen nach ihrem Menschsein, ihrer Leistung und nicht ihrer Kleidung bewerten.

Bezieht sich Ihr Engagement für Frauenrechte auf den Islam?

Das sehen verschiedene Frauen im Verein sicher unterschiedlich. Ich persönlich finde, dass man eine theologische Legitimierung für dieses Engagement auf jeden Fall in der Prophetenzeit finden kann. Prophet Mohammed hat eine Revolution gestartet, die den Frauen viel mehr Rechte gab. Sie sollten gleichwertig sein und für sich selbst entscheiden dürfen. Das wurde später aber leider von vielen Gelehrten und ganzen Gesellschaften nicht umgesetzt. So haben wir das, was wir hatten, durch das Patriarchat langsam verloren. Ich persönlich brauche aber auch nicht unbedingt eine theologische Begründung, denn wir leben ja in Deutschland. Hier haben wir andere Rechte und die möchte ich wahrnehmen.

Schließt Ihr Verein Mitglieder bestimmter Gruppen aus, die islamische Quellen Ihrer Meinung nach falsch auslegen?

Nein, denn keine Gruppe ist einheitlich und uns interessiert die Meinung jeder einzelnen Frau, die bei uns mitmachen möchte.

Warum streben Sie eine Zusammenarbeit mit der Koordinierung der Frauenhäuser an?

Wir wollen damit ein positives Signal setzen, weil wir die Arbeit der Frauenhäuser wichtig finden. Es wäre gut, wenn mehr Fachfrauen aus der muslimischen Community dort als Multiplikatorinnen eingesetzt werden könnten.

Die Fragen stellte Karin Schädler.

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