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Politik: Babys für deutsche Freier

Eine Studie zeigt: Der Kinderstrich an Tschechiens Grenze boomt

Schon am frühen Morgen steht Frantisek an der Straße und bleibt dort, bis es dunkel wird. Beim Spielen muss der Sechsjährige aufpassen, dass er kein deutsches Auto verpasst . Die zehn Jahre alte Iveta wird von ihrer Mutter geholt, wenn ein Deutscher sie will. Die beiden Kinder gehen tagsüber nicht zur Schule, sondern auf den Strich an der deutsch-tschechischen Grenze.

Nach einem am Dienstag vorgestellten Bericht von Unicef und der Kinderrechtsorganisation Ecpat besteht im Grenzgebiet ein enormer Markt für Kinderprostitution. Für die Untersuchung mit dem Titel „Kinder auf dem Strich – Bericht von der deutsch-tschechischen Grenze“ hat die Sozialarbeiterin Cathrin Schauer seit 1996 etwa 500 Mädchen und Jungen beobachtet, die sich zur Prostitution anboten oder von Erwachsenen vermittelt wurden. Teilweise seien die Kinder aus entfernten Regionen Tschechiens und anderen mittel- und osteuropäischen Ländern in das Grenzgebiet verschleppt worden. Außerdem führte Schauer 200 Interviews mit Kindern, mit erwachsenen Prostituierten, Mitarbeitern sozialer Einrichtungen, Polizeibeamten und Passanten an den Grenzen. „Die Nachfrage gerade für kleine Kinder steigt“, fasste Schauer die Ergebnisse ihrer Untersuchung zusammen. „Teilweise reichen Frauen den Kunden sogar Säuglinge ins Auto.“

Karawanen von Autos fahren an manchen Tagen über die verschiedenen Grenzübergänge von Deutschland nach Tschechien, sagte Schauer. Die Kunden seien vorwiegend deutsche Sextouristen aus den angrenzenden Bundesländern Bayern und Sachsen . Die Vermittler seien organisierte Zuhälter, meistens aus Tschechien oder der Slowakei, aber auch die eigenen Verwandten der Kinder. „Meine Mama hat mir gesagt, wie ich das machen muss“, habe zum Beispiel das Mädchen Iveta erklärt. Die 15 Jahre alte Jiri wurde von Schauer mit den Worten zitiert: „Ist das denn so schlimm, dass ich das mache? Meine Mutter ist doch auch eine Schlampe und steht die ganze Nacht rum.“ Die Eltern der Kinder seien häufig arbeitslos, drogenabhängig oder im Gefängnis, hat Schauer festgestellt.

Mechtild Maurer von Ecpat Deutschland kritisierte auf der Pressekonferenz ein „Verleugnen“ von Prostitution und Kinderhandel in der Öffentlichkeit. „Polizei und Behörden müssen energischer als bisher gegen die Ausbeutung von Kindern vorgehen“, forderte sie. Viele Razzien seien absichtlich so angelegt, dass nie etwas gefunden werde.

Der tschechische Ministerpräsident Vladimir Spidla hat in einer Stellungnahme die Untersuchung bereits als „unrealistisch“ bezeichnet. „Die Aussagen der Unicef entsprechen nicht der Situation“, sagte der Sozialdemokrat der Prager Nachrichtenagentur CTK.

Julia Ziegler

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