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Brüder im Geiste. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (r.) kann gut damit leben, dass sein Bundesland traditionell gern den Konflikt mit dem Bund sucht. Jetzt setzt offenbar auch der baden-württembergische Landeschef Stefan Mappus (l.) auf diese Strategie.

© Keystone

Baden-Württemberg: Südwest-CDU ist auf Krawall frisiert

Die Südwest-CDU verliert in den Umfragen – und macht die Regierung in Berlin dafür verantwortlich. Das Koalitionsmanagement gefällt nicht, und der Umgang mit den Ländern im Bundesrat schon gar nicht.

Berlin - Absetzen vom Bund – das hat eine Demoskopiefirma der CSU im Auftrag der bayerischen Staatskanzlei geraten. Dies zieht nun eine größere Staatsaktion in Bayern nach sich, weil möglicherweise ein Verstoß gegen das Parteiengesetz vorliegt. Wobei man sich auch die Frage stellen kann, warum sich die Regierung von Horst Seehofer für teures Geld raten lassen muss, was bayerische Regierungen seit Jahrzehnten gewohnheitsmäßig tun? Zudem hat sie gar keinen akuten Anlass, gegenüber Berlin widerspenstig zu sein, denn die nächste Landtagswahl steht erst für den Herbst 2013 an. Schon eher zum Absetzen vom Bund müsste die Regierung von Stefan Mappus in Stuttgart geneigt sein, denn in Baden-Württemberg wird am 27. März kommenden Jahres gewählt, und die Umfragedaten sehen derzeit nicht so gut aus für die Südwest-CDU. 37 Prozent – das liegt deutlich unter dem Gewohnten und Erwarteten.

Ministerpräsident Mappus hat nicht zuletzt die Koalitionspolitik in Berlin als Grund dafür ausgemacht – und die modernisierende Politik, die unter Angela Merkel zum neuen Merkmal der technokratisierten CDU geworden ist. Umweltminister Norbert Röttgen hat er zum Rücktritt aufgefordert, weil Mappus dessen Atompolitik nicht teilt. Den Wunsch von Forschungsministerin Annette Schavan nach mehr Einheitlichkeit in der Bildungspolitik wies er knapp zurück, und wenn nun Arbeitsministerin Ursula von der Leyen für die künftige Parteiführung ankündigt, es werde eine „Veränderung von Sprache und Herangehensweise an die Politik geben“, dann klingt das im Südwesten wie eine Kampfansage an die konservativeren Teile der CDU.

Dabei ärgern sich die Christdemokraten in Baden-Württemberg weniger über das Programmatische als über den aus ihrer Sicht zu schlechten Gesamtauftritt der Regierung in Berlin. Still gemosert wurde schon seit Monaten, das Koalitionsmanagement gefiel nicht, und der Umgang mit den Ländern im Bundesrat schon gar nicht. Den Bundesratsminister Wolfgang Reinhart, der auch für die Koordinierung der Unions-Länder zuständig ist, treibt das um. „Gerade bei wichtigen Gesetzesvorhaben wird das reguläre Verfahren inzwischen missachtet“, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. Reinhart meint damit die häufigere Übung in den letzten Monaten, durch Verkürzung des normalen Gesetzgebungswegs die Mitsprache des Bundesrats zu beschneiden, indem dessen sechswöchige Prüfungsfrist für Bundesgesetze (zur sogenannten Stellungnahme der Länder, die dann in das Gesetz eingearbeitet werden kann, bevor es in den Bundestag geht) umgangen wird. Für Reinhart ein Nachteil zulasten der Koalition: „Sachliche und technische Probleme können nicht frühzeitig ausgeräumt werden, es fehlt an politischer Abstimmung.“

Das „schlagende Beispiel“ ist laut Reinhart das Erneuerbare-Energien-Gesetz vom Frühsommer, mit dem die Subventionen für die Solaranlagen gekürzt werden sollten. „Statt die Modalitäten der Änderung in einem ersten Schritt mit dem Bundesrat zu klären, wurde es vorgezogen, den Bundesrat vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ein völlig unnötiges Vermittlungsverfahren war die Konsequenz“, klagt Reinhart. Als „verfassungsrechtliches Kuriosum“ empfand der baden-württembergische Bundesratsminister das Verfahren bei der Verkürzung des Wehrdienstes im Juli. Da erreichten die Länderkammer gleich zwei Gesetzentwürfe, einer von der Bundesregierung, ein identischer vom Bundestag. So sahen sich die Ländervertreter am 9. Juli vor der merkwürdigen Situation, einerseits (im normalen Verfahren) über ihre Stellungnahme zum Regierungsentwurf abzustimmen, andererseits aber (im verkürzten Verfahren) den Bundestagsentwurf abschließend absegnen zu sollen. Was dann am Ende auch mit den Stimmen der Unions-Länder geschah. Für Reinhart dennoch eine fragwürdige Angelegenheit: „Es bestehen große Zweifel, ob dieses Verfahren der Tragweite des Gesetzes angemessen war“, sagt er. Denn im Gegensatz zu den Eilgesetzen zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise „bestand für ein derart überstürztes Gesetzgebungsverfahren kein Anlass“. Reinhart hält es auch für „demokratisch bedenklich“. Mit dem Ende der schwarz-gelben Mehrheit in der Länderkammer brechen nun freilich für die Koalition im Bund neue Zeiten an. Für Reinhart ist die Bundesregierung auch von daher gut beraten, „wenn sie dem Bundesrat einen pfleglicheren Umgang angedeihen lässt“.

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