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Politik: Bahn AG in der Krise: Unternehmen räumt Finanzdesaster ein

Das Desaster bei der Bahn AG ist nun amtlich und geprüft. Bis zu 20 Milliarden Mark wird die Bahn bis zum Jahr 2005 unter den prognostizierten Erwartungen liegen.

Das Desaster bei der Bahn AG ist nun amtlich und geprüft. Bis zu 20 Milliarden Mark wird die Bahn bis zum Jahr 2005 unter den prognostizierten Erwartungen liegen. Bahnchef Hartmut Mehdorn rechnet mit drei bis vier Milliarden Mark Verlusten der Staatstochter in jedem der kommenden Jahre. Hinzukommen jährlich rund 15 Milliarden Mark, die Mehdorn dringend für Investitionen in den sanierungsbedürftigen Bestand der Bahn braucht, sagte er am Mittwoch in Berlin.

Investitionsrückstände

Mehdorn stellte zusammen mit Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) die "Bestandsaufnahme der Bahn" vor. Bahnpolitiker, Verkehrswissenschaftler und nicht zuletzt die Mitglieder des Aufsichtsrats warten seit Monaten auf die ursprünglich als Kassensturz angekündigte Analyse des Bahnzustands. Wegen der nicht näher erläuterten "Fehlerkultur bei der Bahn" (Mehdorn) hat sich die Bestandsaufnahme nun zehn Monate hingezogen. Ganz fertig sind die Bahnangestellten immer noch nicht, und so konnte Mehdorn nur vage den Weg zur Gesundung des Unternehmens Bahn bis zum Jahr 2005 skizzieren. Aus der Analyse "ergeben sich erhebliche Planabweichungen und Risiken, die zu einer Neubewertung der bestehenden Ergebnisplanung der Bahn führen müssen", heißt es in einer dürren Erklärung der Bahn. "Verantwortlich dafür sind insbesondere gravierende Investitionsrückstände im Bestandsnetz, Kostenüberschreitungen bei Großprojekten sowie zu optimistische Umsatzprognosen", stellt die Bahn fest. Daher rechnet Mehdorn mit der Planabweichung von bis zu 20 Milliarden Mark. Außerdem haben die Bahnprüfer Risiken "in Höhe von zusätzlich zehn Milliarden Mark" entdeckt. Mehdorn sieht seine "unternehmerische Herausforderung" darin, dass diese Risiken nicht eintreten.

Denn jede Milliarde, die der Bahn fehlt, geht zu Lasten des Steuerzahlers. Die Bahn AG ist zwar seit 1994 privatisiert, gehört jedoch weiterhin zu 100 Prozent dem Staat. Aus dem Haushalt von Verkehrsminister Reinhard Klimmt fließen Jahr für Jahr rund 30 Milliarden Mark an Subventionen an die Bahn. Zum Vergleich: Die Bahn AG hat einen Umsatz von ebenfalls rund 30 Milliarden Mark im Jahr. Die Zuschüsse aus der Steuerkasse reichen nicht aus. Bahnchef Mehdorn verhandelt daher mit Finanzminister Hans Eichel und Verkehrsminister Klimmt in den nächsten Wochen, wie der Bahn-Eigentümer Staat zur Sanierung beitragen kann.

Ab 2001 wird Mehdorn zusätzlich schon einmal zwei Milliarden Mark jährlich aus dem Verkauf der UMTS-Handylizenzen erhalten. Das Geld will er ausschließlich für die Sanierung der maroden Gleisanlagen ausgeben. So sind allein über 6700 der 8400 Stellwerke älter als 40 Jahre. Die Schranken, Signale und Weichen werden dort zum großen Teil noch mit der Hand bedient. Elf Milliarden Mark braucht Mehdorn, um die Anlagen zu modernisieren. Dafür werden dann 300 Bahnwärter dort überflüssig.

Auch der Kauf von neuen Zügen und Loks wird zwar mit bis zu vier Milliarden Mark im Jahr teuer, doch er spart auch Personalkosten. Wenn die Züge neuer sind, geht weniger kaputt und muss weniger repariert und gewartet werden. Durch Personaleinsparungen in Höhe von 3,6 Milliarden Mark will Mehdorn einen großen Teil der Kosten senken und ab 2005 ein "belastbares Ergebnis" vorweisen. Dabei setzt er auf die Fluktuation der Mitarbeiter und will betriebsbedingte Kündigungen ausschließen.

Der Bahnchef wird sich auch nicht scheuen "sich unbeliebt zu machen", versicherte Mehdorn. "Wir machen nur noch, was sich rechnet". Dafür wird er Strecken stilllegen, die ICE-Züge nur noch an wenigen Knotenpunkten halten lassen und Geschäftsbereiche verkaufen. Außerdem will Mehdorn nun endlich ein "Controlling-Frühwarnsystem" einführen. Damit sollen die Fehler der Vergangenheit auf keinen Fall wiederholt werden. "Wir müssen jetzt endlich generalstabsmäßig vorgehen und unsere knappen Mittel zielgerichtet einsetzen", sagte Mehdorn.

Ulrike Fokken

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