zum Hauptinhalt

Politik: Balkan in der Lüneburger Heide

Die Bundeswehr übt – und macht ganz nebenbei auf ihren Bedarf aufmerksam

Von Robert Birnbaum

Berlin - Gerade haben sie noch geschrien, die Demonstranten aus dem Dörfchen „Seelovac“, haben Steine geworfen auf die Bundeswehrsoldaten hinter ihren Anti-Aufruhr-Plastikschildern. Da taucht böse dröhnend ein „Leopard“-Panzer auf. Prompt zieht sich die randalierende Schar zurück. Das funktioniert zu schön, um wahr zu sein. Ist es ja auch nicht. „Seelovac“ besteht aus Sperrholz und liegt in der Lüneburger Heide, die „Steine“ der „Demonstranten“ sind knallgrün, damit die Zuschauer auf der Tribüne sie gut fliegen sehen. Auf dem Truppenübungsplatz Munster wird übungshalber „Das Heer im Einsatz“ vorgeführt – allerdings mit ungewöhnlichen Zutaten.

Das gilt einmal für das Publikum. Heeresinspekteur Hans-Otto Budde hat den Verteidigungsausschuss des Bundestages und die Berichterstatter des Haushaltsausschusses eingeladen. Noch außergewöhnlicher ist der „Leopard“. Das 60-Tonnen-Ungetüm, das die Übungsdemonstranten schreckt, ist statt in Grün in Schwarz-Gelb-Beige lackiert, dank Zusatzpanzerung in die Breite gegangen und trägt an allen Seiten Videokameras.

Zwanzig Stück des Prototyps gibt es – allerdings nicht bei der Bundeswehr. Bezahlt hat den Umbau Kanada. Der Nato-Partner kriegt die Sonder-Leos als Leihgabe für Südafghanistan. Der „Leopard“ ist für Panzerschlachten in weiten Ebenen konzipiert. Der Umbau soll ihn tauglich machen für Friedenseinsätze der robusten Sorte: für Kämpfe in Städten, sicher vor Autobomben und Panzerfäusten. Der Räumschild demonstriert in Munster seinen Nutzen beim Barrikadenräumen.

„Demonstriert“ ist wörtlich gemeint. Die ganze Vorführung ist ein Wink mit dem Räumschild. Die Botschaft an die Parlamentarier lautet: „Dickblech“ – Werkstattjargon für Gepanzertes – ist wieder in. Vorbei die Tage, als der „Leo“ Symbol für Dinosauriertechnik war. Der Einsatz in Afghanistan, sagt Budde, zeige, dass „auch Stabilisierungsoperationen von hoher Intensität sein können“. Zu Deutsch: Soldaten sind nicht nur Helfer in Uniform, sie müssen kämpfen können und brauchen dafür das passende Gerät. Zur Illustration erzählen sie in Munster gerne von einem zweiten „Dickblech“-Einsatz der Kanadier. Zwei Panzerhaubitzen 2000 halten seit kurzem eine wichtige Straße in Südafghanistan von Bombenanschlägen frei. Die Kanonen made in Germany schießen auf jede verdächtige Bewegung am Straßenrand. „Das haben sich die Taliban gemerkt“, sagt ein Offizier. „Seitdem ist da Ruhe.“Robert Birnbaum

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false