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Ballungsraumzulage: Beamte klagen in Karlsruhe

Beamte in Großstädten müssen bislang damit leben, dass ihre Lebenshaltungskosten höher sind als auf dem Land. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat nun darüber verhandelt, ob dies gegen das Grundgesetz verstößt.

Karlsruhe - München ist eine der teuersten Städte Deutschlands und mit Abstand die teuerste Kommune in Bayern. Nach einer Studie des bayerischen Wirtschaftsministeriums liegen die Lebenshaltungskosten in München um 23,4 Prozent höher als im Durchschnitt der bayerischen Gebiete. In anderen deutschen Großstädten dürfte dies ähnlich sein. Die Privatwirtschaft gleicht in deutschen Großstädten den Kaufkraftverlust durch höhere Löhne aus. Beamte aber erhalten bundesweit grundsätzlich keine Ballungsraumzulage - bislang zumindest. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird im Frühjahr 2007 erwartet.

Die Bundesregierung sieht keinen Anlass zu handeln, da keine offensichtliche Pflichtverletzung vorliege. Beamte in Ballungsräumen könnten "ihre Grundbedürfnisse und ein Minimum an Lebenskomfort befriedigen", sagte die Prozessbevollmächtigte der Bundesregierung, Monika Böhm. Der Gesetzgeber sei "nicht verpflichtet, bei der Beamtenbesoldung regionalen Unterschieden Rechnung zu tragen". Es gebe hier für den Bund einen "weiten Gestaltungsspielraum". Defizite bei der Besoldung könnten anders ausgeglichen werden, nicht aber durch eine Regionalisierung, die "zu aufwändig" und "nicht hinreichend belegbar" sei. Ein Vertreter des Bundesinnenministeriums sprach von jährlichen Mehrkosten von mehr als 30 Millionen Euro im Falle eines Ortszuschlags.

"Exorbitant hohe" Kosten?

Der Zweite Senat verhandelte über die Verfassungsbeschwerde eines Kriminalhauptkommissars aus München. Er werde "nicht mehr angemessen" besoldet, wenn die "exorbitant hohen" Lebenshaltungskosten in München nicht berücksichtigt würden, argumentierte sein Anwalt, der Berliner Rechtsprofessor Heinrich Amadeus Wolff. Er machte einen Verstoß gegen den Alimentationsgrundsatz des Grundgesetzes geltend - also das Prinzip der "amtsangemessenen Besoldung".

Es dürfe nicht sein, "dass die Versetzung in einen Ballungsraum einer Besoldungskürzung um 20 Prozent gleicht", sagte Wolff. Der Kläger, der in der Besoldungsgruppe A 13 eingestuft sei, könne in der Realität nur einen Lebensstandard haben wie ein Beamter der Besoldungsgruppe A 11 in einer "durchschnittlichen" anderen bayerischen Stadt. Damit werde "das Ämtergefüge zunichte gemacht", sagte der Anwalt des Kommissars. Ein Beamter müsse in einer Großstadt auch "amtsgerecht leben können".

Örtliche Kosten 100 Jahre lang berücksichtigt

Gerichtsvizepräsident Winfried Hassemer fragte angesichts der Kürzungen, die Beamte in den vergangenen Jahren hinnehmen mussten, ob nun die "Grenze der Verfassungswidrigkeit erreicht" sei. Die geltende Besoldungsregelung sieht nur für im Ausland eingesetzte Beamte einen Ausgleich für erhöhte Lebenshaltungskosten vor. Der Berichterstatter in dem Verfahren, Verfassungsrichter Herbert Landau, wies darauf hin, dass genau 100 Jahre lang das örtliche Kostenniveau bei der Besoldung berücksichtigt wurde - vom 1. Januar 1873 bis 31. Dezember 1972. In den 70er Jahren seien relevante Kaufkraftunterschiede nicht mehr festgestellt worden. Heute scheine dies jedoch "nicht mehr zuzutreffen", sagte Landau.

Die Bayerische Staatsregierung hält den Verzicht auf eine Ballungsraumzulage für verfassungsgemäß. Wilhelm Hüllmantel, Ministerialdirigent im bayerischen Finanzministerium, sagte: "Statt einer regionalen Differenzierung der Besoldung ist vor allem eine leistungsbezogene Besoldung anzustreben." (Von Norbert Demuth, ddp)

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