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Politik: Banger Blick in die Zukunft

Aufräumen in Bischkek: In der kirgisischen Hauptstadt fegen Bewohner am Samstag die Scherben nach dem Sturz der alten Regierung zusammen und hoffen auf eine bessere Zukunft.

Bischkek (26.03.2005, 17:16 Uhr) - Vor dem noch zu Sowjetzeiten erbauten Regierungs- und Präsidentensitz, der als das «Weiße Haus» bekannt ist, schaffen Lastwagen all das weg, was zu Bruch ging, als Oppositionsanhänger am Donnerstag das Gebäude stürmten.

Viele Geschäfte sind geschlossen, nachdem es in zwei Nächten in Folge zu blutigen Ausschreitungen und Plünderungen mit mehreren Toden und hunderten Verletzten gekommen war. Obwohl die fünf Millionen Einwohner des gebirgigen zentralasiatischen Landes an der Grenze zu China eigentlich für ihre freundliche Zurückhaltung bekannt sind, wurde die Opposition dann doch rasch aktiv. Nach tagelangen Massenprotesten gegen das Ergebnis der Parlamentswahl stürzte sie die Regierung am Donnerstag binnen weniger Stunden und ergriff die Macht.

«Den neuen Führern ist klar, dass ihnen das gleiche Schicksal blüht, falls sich die Lage nicht in drei bis vier Jahren bessert», meint der Ökonom Talaibek Kadyrkulow, der an den Protesten beteiligt war. Anhänger des nach dem Umsturz ins Ausland geflohenen Präsidenten Askar Akajew halten sich in diesen Tagen eher zurück. Seine Gegner aber sind sich weiter über die Fehler der Vergangenheit einig: Korruption, Vetternwirtschaft und die selbstgefällige Überzeugung des Präsidenten, dass sein Clan auch nach der ursprünglich für Oktober geplanten Präsidentenwahl weiter an der Macht bleiben würde.

«Seinem Sohn und seiner Tochter einen Sitz im Parlament zu verschaffen, das zeigt doch schon seine (Akajews) Geringschätzung des Volkes», meint ein Passant, der seinen Namen wie andere auch lieber nicht sagt. Noch geht die Angst vor möglichen Repressialien um, nachdem Akajew via Internet seine Rückkehr angekündigt hat.

Die neue Führung unterlässt tunlichst jede betonte Machtdemonstration: Vor dem Weißen Haus keinerlei bewaffnete Sicherheitskräfte, im weiteren Umkreis nur ein paar freiwillige Aufseher. Militär und Polizeieinheiten, die sich bei dem Sturm auf das Weiße Haus aus dem Staub machten, unterstehen nun dem politisch ambitionierten Ex-Geheimdienstchef Felix Kulow, der erst am Donnerstag nach vier Jahren aus dem Gefängnis freigelassen worden war. «Die Lage ist vollständig unter Kontrolle, weitere Ausschreitungen lassen wir nicht zu», sagt Kulow.

Am ärgsten betroffen von den Plünderungen waren Nobelläden, an denen der Akajew-Clan beteiligt sind. So wurden zwei Kaufhäuser, die zum Teil Vater und Sohn Akajew gehören, geplündert und in Brand gesteckt. «Warum musste es nur so weit kommen», jammert die Rentnerin Ljudmilla. «Sie hätten doch einfach Druck auf Akajew ausüben können, bis er zurückgetreten wäre», sagt sie weinend. «Wir waren arm unter ihm, aber wenigstens hatten wir Stabilität.» Zwar ist die Lage in der Stadt am Morgen wieder weitgehend ruhig, aber zum Schutz vor möglichen Übergriffen haben jetzt viele Läden Schilder aufgehängt, auf denen in großen Buchstaben steht: «Wir sind für das Volk». (Von Nick Allen, dpa) ()

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