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Bankenkrise: EU einig über Rettungsplan

Gemeinsam gegen die große Finanzangst: Die EU hat sich auf ein umfassendes Rettungspaket für angeschlagene Banken verständigt. Gleichzeitig einigten sich die G-8-Staaten darauf, ein Gipfeltreffen zusammen mit den wichtigsten Schwellenländern zu veranstalten. Das erklärten sie am Mittwoch in Brüssel.

Der EU-Gipfel hat sich auf ein umfassendes Rettungspaket für angeschlagene Banken verständigt. Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten stimmten dem von den Euro-Ländern ausgearbeiteten Hilfsplan zu, wie der französische Präsident und EU-Vorsitzende Nicolas Sarkozy am Mittwochabend beim EU-Gipfel in Brüssel mitteilte.

Die führenden Industrienationen (G8) und aufstrebende Staaten wie China, Indien und Brasilien wollen außerdem auf einem Gipfeltreffen gemeinsam die globale Finanzmarktkrise meistern. Nach Vorstellung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll das Treffen bereits im November stattfinden, wie in einer Erklärung am Rande des EU-Gipfels am Mittwoch in Brüssel hieß. Der EU-Gipfel selbst war durch Polen und Tschechien blockiert, die sich zunächst gegen gemeinsame Strategien der Europäischen Union für eine Neuordnung der Finanzwelt und im Kampf gegen die Erderwärmung stellten.

"Eine neue, tragfähige Architektur der Finanzmärkte kann nur gemeinsam entworfen werden", erklärte Merkel nach Angaben ihres Sprechers Ulrich Wilhelm. Es gehe darum, "strukturelle Reformen der internationalen Finanzarchitektur anzugehen".

In der Mitteilung der G8 heißt es, neben der Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte sei es auch wichtig, die Vorschriften und die Aufsicht zu verbessern, "um die durch die Finanzkrise zutage getretenen Mängel zu beheben". An den Beratungen über die notwendigen Änderungen müssten "sowohl Industriestaaten als auch Entwicklungsländer teilnehmen". Nach Angaben von Diplomaten ist unter anderem die Teilnahme von China, Indien, Brasilien und Südafrika im Gespräch.

Tschechien verhindert Entscheidung über Maßnahmenbündel

Der G8 gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Russland und die USA an. Auch die EU ist vertreten.

Die tschechische Führung verhinderte in Brüssel eine Entscheidung der 27 Staats- und Regierungschefs zu einem Maßnahmenbündel gegen die Finanzkrise. Tschechien fürchte milliardenschwere Staatshilfen für Großbanken aus anderen EU-Ländern und verweigere seine Zustimmung, berichteten Diplomaten. Beim EU-Klimaschutzpaket nahmen Polen und mehrere andere EU-Staaten eine Blockadehaltung ein.

Die "Chefs" und ihre Außenminister sprachen zudem über die gespannten Beziehungen zu Russland. Eine baldige Aufnahme der wegen des Kaukasus-Krieges auf Eis gelegten Gespräche über einen neuen Partnerschaftspakt zeichnete sich jedoch nicht ab. Thema war auch das irische Nein zum EU-Reformvertrag von Lissabon. Unterdessen nominierte die konservative EVP-Partei EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso für eine zweite Amtszeit.

Bei einem Sondergipfel am Sonntag in Paris hatten sich die Spitzen der Euro-Länder auf ein Maßnahmenpaket gegen die Bankenkrise geeinigt, aus dem sich jeder Mitgliedstaat je nach Bedarf bedienen kann. Zu dem Maßnahmen, die nun in jedem EU-Staat möglich sein sollen, gehören milliardenschwere Garantien und die Teilverstaatlichung von Kreditinstituten. Laut Diplomaten wollten Spezialisten in der Nacht zum Donnerstag an einer Lösung feilen, um Prag entgegenzukommen und damit am zweiten Gipfeltag doch noch zu einer Lösung zu kommen.

Sarkozy: "Diese Krise ist eine Krise zu viel"

In der Bankenkrise sucht Europa den Schulterschluss mit den USA. Die EU-Kommission bestätigte eine Einladung von US-Präsident George W. Bush an den amtierenden EU-Ratspräsidenten, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy, und Barroso an diesem Samstag nach Camp David. Sarkozy rief die EU-Spitzen auf, bei der notwendigen Reform des Weltfinanzsystems die Führung zu übernehmen. "Diese Krise ist eine Krise zu viel", sagte Sarkozy. "Man muss das System neu gründen. Diese Neugründung muss global sein."

Barroso soll nach dem Willen der europäischen Konservativen bis 2014 im Amt bleiben. Die Europäische Volkspartei (EVP), stärkste Fraktion im Europaparlament, schlug den früheren portugiesischen Ministerpräsidenten für eine zweite Amtszeit vor. Diese soll im November kommenden Jahres beginnen. Das sagte der stellvertretende EVP-Vorsitzende und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Peter Hintze.

Im Streit um das Klimaschutzpaket drohte Polens Außenminister Radoslaw Sikorski, einen gemeinsamen Beschluss der Gipfelrunde zu blockieren. Sikorski machte klar, dass Warschau sich nicht auf einen Abschluss des Pakets bis zum Dezember festlegen lassen will. Dies ist eines der wichtigsten Vorhaben der noch bis Jahresende amtierenden französischen EU-Ratspräsidentschaft. "Wir können es uns nicht erlauben, dass unsere Wirtschaft große wirtschaftliche Verluste erleidet", sagte Sikorski. "Wir sind bereit, ein Veto einzulegen, sollte es Versuche geben, uns zur Annahme des Klimaschutzpakets in den nächsten Monaten zu zwingen."

"Die Klimaschutz-Pläne sind Teil der Lösung."

In einer gemeinsamen Erklärung forderte eine Gruppe neuer EU-Mitgliedstaaten um Polen, den wirtschaftlichen Aufholbedarf ihrer Volkswirtschaften zu berücksichtigen. Das Klimapaket müsse "im Konsens" angenommen werden, erklärten die Regierungschefs Polens, Bulgariens, Estlands, Ungarns, Lettlands, Litauens, Rumäniens und der Slowakei. Die acht Länder haben im EU-Ministerrat nicht genug Stimmen, um das Klimapaket zu blockieren. Großbritanniens Gordon Brown betonte, die Finanzkrise stehe dem Umweltschutz nicht entgegen: "Ich glaube, die Klimaschutz-Pläne sind Teil der Lösung."

Das Klimapaket war im Frühjahr 2007 unter deutscher Ratspräsidentschaft ausgehandelt worden. Der Treibhausgas-Ausstoß soll um 20 Prozent bis zum Jahr 2020 gesenkt werden. Inzwischen haben zahlreiche Länder - darunter auch Deutschland - Ausnahmen angemeldet. Zudem mehren sich die Stimmen, die vor zusätzlichen Belastungen der Industrie angesichts der Bankenkrise und des drohenden Wirtschaftsabschwungs warnen. Peter Hintze forderte: "Klimaschutz und Wirtschaftswachstum müssen miteinander versöhnt werden." (ut/dpa/AFP)

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