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Barack Obama: Worte von gestern, Waffen von heute

Streit um Obamas Pfarrer: Der schwarze Kandidat für die US-Präsidentschaftswahl distanziert sich von früheren Predigten seines Freundes.

Die Trinity United Church of Christ in Chicago’s armer Southside ist ein Schicksalsort für Barack Obama. Hier hat er Ende der 80er Jahre zum christlichen Glauben gefunden – dank der schwarzen Befreiungstheologie des Pfarrers Jeremiah Wright. Der hat Barack und Michelle 1992 getraut und später ihre Töchter Malia und Sasha getauft.

Den Präsidentschaftsbewerber Obama holen Wrights radikale Predigten ein. „God damn America!“ hat er 2003 gepredigt, in Umkehrung des Segens „God bless America!“, mit dem US-Politiker wichtige Reden abschließen. Die Predigt war eine Anklage der US-Regierung. Sie verführe junge Afroamerikaner zu Drogen, kriminalisiere sie durch eine rassistische Gesetzgebung und baue als einzige Antwort auf deren Straffälligkeit größere Gefängnisse. Das Video wird jetzt bei Youtube besonders häufig angeklickt.

Seit dem Wochenende thematisieren US-Medien Obamas Verhältnis zu seinem Pfarrer. Sie fördern keine neuen Aspekte zutage. Wrights Haltung zur Rassenfrage und seine Verdammung der US-Außenpolitik sind bekannt. Ebenso, dass Obama diese Meinungen nicht teilt, zugleich aber den geraden Charakter seines Pfarrers schätzt. An Präsidentschaftsbewerber werden aber schärfere Maßstäbe angelegt. So musste Obama am Dienstag in Philadelphia, Pennsylvania, eine Grundsatzrede halten über sein Verhältnis zur Befreiungstheologie und zur Rassenfrage. Pennsylvania ist Schauplatz der nächsten Vorwahl am 22. April.

Es war ein Spagat. Obama musste sich so weit von Wright distanzieren, dass er nicht mit dessen Aussagen identifiziert wird. Aber er durfte auch nicht zu weit gehen, sonst verprellt er die Schwarzen, die inzwischen zu 80 Prozent lieber ihn als Hillary Clinton wählen.

Im September 2001, kurz nach dem Terrorangriff auf die USA, predigte Wright, Amerika trage eine Mitschuld an der Tragödie. „Wir haben Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki geworfen. Wir haben weit mehr Menschen getötet als die paar tausend in New York. Amerika wird von seinen Taten eingeholt.“ Solche Zitate, versehen mit der Quelle „Obamas Pfarrer“, sind ohne den Kontext politische Waffen.

Dieser Kontext erschließt sich wohl erst bei einem Besuch in Obamas Kirche an der 95. Straße in Chicagos Süden. Sie verbindet die schwarzen Slums von Altgeld und Roseland noch weiter südlich, wo Obama Mitte der 80er Jahre Sozialarbeit leistete, und die nördlich angrenzenden Viertel der schwarzen Mittelschicht. Wright ist seit einem Jahr pensioniert. Aber seine Nachfolger predigen, wenn man so will, denselben umgekehrten Rassismus wie zuvor er: Afroamerikaner haben keinen Grund zu Komplexen. „Wir sind die Nachfahren einer großen Kultur, die nicht in Sklaverei begann. Wir stammen aus Afrika, der Wiege der Menschheit und der ersten Zivilisation.“ Die Weißen kamen nach uns. Der Gottesdienst dauert hier an die drei Stunden. 600 bis 800 Gläubige füllen den vieleckigen Raum, die meisten in farbenfrohen afrikanischen Gewändern. Es wird viel gesungen und getanzt. Kirchenchor und Trommlergruppe sind stets dabei.

Schwarzes Selbstbewusstsein wecken, obwohl der Alltag niederdrückend ist: Diese Botschaft hat den jungen Obama an Wright fasziniert. Auch den Buchtitel seines Bestsellers „The Audacity of Hope“ (Hoffnung wagen) hat er aus einer Wright-Predigt geliehen. Dessen Extremismus macht Obama dagegen nicht mit. Wrights Bundesgenossen sind eine Provokation für die USA. Er hat in Kuba gesprochen, trotz US-Embargo, und mit dem radikalen Muslimführer Louis Farrakhan Gaddafi in Libyen besucht.

Als Obama 2007 offiziell seine Kandidatur ankündigte, war ein öffentliches Gebet mit Wright vor der Rede geplant. Es wurde abgesagt, nachdem Medien radikale Wright-Zitate verbreitet hatten. Der Pfarrer prophezeite ihm damals: Falls Barack offizieller Kandidat werde, müsse er sich wohl öffentlich von ihm distanzieren. Laut Jeremiah Wright antwortete Obama: Yeah, so weit könne es kommen.

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