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Politik: Barroso irritiert Berlin

EU-Kommissionschef stellt Sparkurs infrage.

Brüssel - Äußerungen des EU-Kommissionschefs José Manuel Barroso haben die anhaltende Debatte über den richtigen Weg aus der Krise befeuert und bei der Bundesregierung und deutschen Politikern Irritationen ausgelöst. Barroso hatte gesagt, er sehe die Sparpolitik aufgrund fehlender gesellschaftlicher und politischer Unterstützung an „ihre Grenzen“ stoßen. Am Rande eines Nato-Außenministertreffens in Brüssel sagte der deutsche Ressortchef Guido Westerwelle (FDP) am Dienstag: „Wir sind der Überzeugung, wenn wir die Politik der Haushaltskonsolidierung aufgeben würden, wenn wir zurückfallen würden in die alte Politik des Schuldenmachens, dann zementieren wir Massenarbeitslosigkeit auf viele Jahre in Europa. Wachstum könne nicht durch neue Schulden gekauft werden, „sondern Wachstum und Konsolidierungspolitik sind zwei Seiten derselben Medaille“.

Noch deutlicher wurden Koalitionspolitiker: „Das Ende der Sparpolitik zu verkünden, ist Unsinn“, sagte Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs der Nachrichtenagentur Reuters. „In Wahrheit wird doch gar nicht gespart, sondern nur etwas weniger Schulden gemacht“, sagte er unter Verweis auf die Kommissionsangaben, nach denen die EU-Staaten allein 2012 ihren Schuldenberg um 514 Milliarden Euro erhöhten.

EU-Kommissionschef Barroso hatte sich am Montag kritisch zum Sparkurs in der EU geäußert. „Zwar ist diese Politik grundsätzlich richtig, aber ich denke, sie hat in vieler Hinsicht ihre Grenzen erreicht“, sagte der Portugiese auf einer Veranstaltung in Brüssel. Der Kommissionschef betonte zwar, dass „auf Schulden fußendes Wachstum nicht nachhaltig ist“, fügte aber auch hinzu: „Damit eine Politik erfolgreich ist, muss sie nicht nur richtig gestaltet sein. Sie muss auch ein Minimum an politischer und gesellschaftlicher Unterstützung haben.“ Barroso hat schon mehrfach angedeutet, dass er bereit ist, einer Reihe von Ländern mehr Zeit zum Defizitabbau einzuräumen.

In der EU war angesichts von Rekordarbeitslosigkeit besonders unter jungen Menschen und schlechten Wirtschaftszahlen zuletzt die Kritik an der Sparpolitik lauter geworden. Sie gilt als ein Grund, dass der italienische Regierungschef Mario Monti, der die EU-Sparempfehlungen befolgte, abgewählt wurde.

Die Krise dauere schon zu lange an, beschrieb EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in einer Rede am Montag die Gründe für die Debatte „Sparpolitik gegen Wachstum“. Besonders junge Menschen hätten das Gefühl, dass ihr Leben nicht vorangehe: „Die Geduld geht verständlicherweise verloren, und ein neues Gefühl der Dringlichkeit ist entstanden.“ Deswegen seien neben Reformen „mehr unverzügliche Maßnahmen notwendig, um das Entstehen von Arbeitsplätzen und wirtschaftliche Aktivität zu unterstützen“.AFP/rtr

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