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Politik: Bauern fürs Schächten

Polens Regierung sucht Auswege aus dem Streit, die den Tierschutz berücksichtigen.

Warschau - Die polnische Regierung will sich Anfang dieser Woche mit dem orthodoxen Oberrabbiner und dem Obermufti treffen, um Auswege aus dem Schächtverbot zu finden. Die Opposition im Parlament hatte es Anfang letzter Woche mit der Unterstützung einiger Anhänger der regierenden Bürgerplattform von Donald Tusk durchgesetzt.

Das sofortige Verbot löste einen Sturm der Entrüstung aus. Im Gegensatz zu den meisten EU-Staaten sieht das polnische Tierschutzgesetz keine Ausnahmen für die Bedürfnisse religiöser Gemeinschaften vor. Rabbi Michael Schudrich und Tomasz Miskiewicz, Polens Obermufti, wollen sich mit dem Minister für Verwaltung, Michael Boni, treffen. Boni hatte sich vor der unglücklichen Sejmabstimmung für Ausnahmen für Juden und Muslims stark gemacht.

Besonders nachdrücklich hatten sich orthodoxe polnische Juden für die Rechte der Muslime im Lande eingesetzt. Das Gesetz greife die Glaubensfreiheit beider Religionen an, sagt Rabbi Schudrich. Zusammen mit der jüdisch-orthodoxen Gemeinde in Warschau will er nun vors Verfassungsgericht ziehen. Schudrich versucht seit Jahren, das nach Shoa und den antisemitischen Wirrungen der polnischen Kommunisten des Jahres 1968 fast ausgestorbene Judentum in Polen zu retten. Seit ein paar Jahren entdecken immer mehr Polen ihre jüdischen Wurzeln. Nicht alle Polen, die wieder zum Judentum konvertieren, schließen sich jedoch der orthodoxen Gemeinde an. Die kleinere, reformierte jüdische Gemeinde Polens akzeptiert das weiterhin mögliche Schächten nach Betäubung.

Nach Ansicht mehrerer polnischer Verfassungsrechtler sollte jedoch auch das traditionelle Schächten weiterhin möglich sein, wenn es einzig den Bedürfnissen der lokalen Religionsgemeinschaften dient. Sie berufen sich auf ein Gesetz des Jahres 1997, das die Beziehungen zwischen der jüdisch-orthodoxen Kultusgemeinde und dem Staat Polen regelt. Die muslimischen Gemeinden könnten sich auf einen Staatsvertrag von 1936 berufen, heißt es unter Verfassungsrechtlern. Seit Jahrhunderten lebt eine kleine tatarische Minderheit in Nordostpolen.

Auch die Bauerngewerkschaft hat zusammen mit Spitzenvertretern der polnischen Fleischbranche angekündigt, der Öffentlichkeit die Verlustrechnung der Halal- und Koscherfleischexporteure vorzulegen. Laut Izdebski handelte es sich bisher bei 30 Prozent der Rindfleischexporte sowie 10 Prozent des exportierten Hühnerfleisches um Ritualschlachtware. Viele jüdische Gemeinden in Europa haben das preisgünstige koschere Fleisch aus Polen bezogen anstatt es aufwendig aus Israel einzufliegen. Paul Flückiger

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