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Auf ein Bier mit Benedikt. Seehofer gratulierte zu Ostern in Rom dem ehemaligen Papst zum Geburtstag

© epd

Bayerischer Ministerpräsident: Horst Seehofer inszeniert den Opfergang

CSU-Chef Seehofer wollte sich zurückziehen, jetzt tut er es wohl doch nicht. Die Kehrtwende stilisiert er als schwere Bürde.

Es ist noch nicht lange her, da hat Horst Seehofer ein angebliches Zitat des einstigen CSU-Chefs Theo Waigel unters Journalistenvolk gebracht. „Wenn du nochmal kandidieren würdest, Horst“, so lautete es, „wäre das ein Opfergang.“

Die gezielte Verbreitung dieser fast schon religiös konnotierten Respektbekundung im Konjunktiv gehörte zu Seehofers Vorbereitung für die nächste Runde. Sie ist typisch für den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden. Er stilisiert sich nicht selber als einen, der sich die schwere Bürde ein weiteres Mal aufzuladen gedenkt. Er macht es um die Ecke. Und spekuliert darauf, dass sich das zu vermittelnde Bild dadurch umso besser festsetzt: Der Regierende wirft seine eigene mehrmalige Ankündigung, sich nächstes Jahr aus der Politik zurückzuziehen, nicht etwa über den Haufen, weil er nicht von der Macht lassen kann. Er tut es aus purem Pflichtbewusstsein. Für seine Partei, für die Menschen in Bayern. Damit dort alles stabil bleibt und die CSU ein weiteres Mal die absolute Mehrheit erringen kann.

Geheimtreffen mit den Granden

An diesem Montag wird Seehofer verkünden, ob er erneut antritt. Als Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2018 und als CSU-Vorsitzender. Und bisher deutet nichts darauf hin, dass sich der 67-Jährige aufs Altenteil begeben will.

Um diesen Schwenk zu legitimieren, hat Seehofer gezielte Vorarbeit geleistet. Im Januar begann er damit, seine Stellvertreter im Parteivorsitz systematisch in Vier-Augen-Gesprächen zu bearbeiten. Im Februar gelang ihm dann, wie erst jetzt bekannt wurde, der ganz große Coup. Bei einem Geheimtreffen in seiner Parteizentrale holte er sich die Unterstützung der wichtigsten Partei-Honoratioren.

Auf Einladung des Regierenden diskutierten dort am 23. Februar im dritten Stock die ehemaligen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Edmund Stoiber, Theo Waigel, Günther Beckstein und Erwin Huber sowie der langjährige Fraktionschef im Landtag, Alois Glück, drei Stunden lang die Zukunftsperspektiven ihrer Partei. Sie gaben der Befürchtung Ausdruck, dass ein Markus Söder als Seehofer-Nachfolger womöglich besonders in Oberbayern, wo die Flüchtlingskrise am heftigsten spürbar war, gegenüber AfD und Freien Wählern Boden verlieren würde. Und vor der Büste von Franz Josef Strauß kamen sie überein, dass bei der Landtagswahl derjenige antreten müsse, der die besten Chancen habe, die Alleinherrschaft in Bayern zu halten: Horst Seehofer.

Bedenken gegen Söder

Es sei schon „eine Sensation“ gewesen, die untereinander verfeindeten Granden überhaupt an einen Tisch zu bekommen, hieß es dazu in Seehofers Umfeld. Selbst Stoiber, der als Förderer des Seehofer-Rivalen und Finanzministers Söder gilt, habe den Regierungschef zur neuerlichen Kandidatur gedrängt, wunderte sich die „Süddeutsche“, die zuerst über das Treffen berichtet hatte. In der CSU-Spitze stieß diese Parteinahme auf weniger Verblüffung. Stoiber gehe es, jenseits aller persönlichen Sympathien, am Ende einzig und allein um eines, weiß man dort: den Erfolg seiner CSU. Seehofer genieße im Land nun mal nach wie vor höchste Popularität. Lediglich der wie Söder aus Nürnberg stammende und diesem schon deshalb eng verbundene Parteisenior Beckstein habe dafür geworben, die Kandidatenentscheidung erst nach der Bundestagswahl zu treffen. Allerdings könne Becksteins Plädoyer auch auf die damaligen, zeitweilig eingebrochenen Umfragewerte für die Union zurückzuführen sein, hieß es in der Seehofer-Truppe.

Als Parteichef würden die Altvorderen der CSU den 67-Jährigen ebenfalls gerne behalten. Vorerst zumindest. Wenn Seehofer diesen Posten jetzt abgebe, drohe ein „Blutbad“, sagt einer der ihm Nahestehenden. Gegen seinen Möchte-Gern-Kronprinzen Söder hat der Amtsinhaber bekanntermaßen Bedenken – und jedem anderen droht der Franke mit einer Kampfkandidatur. Eine gespaltene Partei jedoch wäre das letzte, was die Wahlkämpfer der CSU brauchen können. Lediglich Erwin Huber habe gefordert, die Nachfolgefrage noch dieses Jahr zu klären und dafür Bayerns Innenminister Joachim Herrmann empfohlen, berichtete die „Süddeutsche“. Im November 2015 hatte Seehofer bei seiner Wahl zum Parteichef mit 87,2 Prozent sein bislang schlechtestes Ergebnis eingefahren. 2013 waren es noch 95,3 Prozent. Seehofer ist seit 2008 CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident in Personalunion. Vorher waren die Ämter aufgeteilt.

Eine Revolte ist nicht zu erwarten

Da Seehofer die CSU in der Bundespolitik schlagkräftiger machen will, hatte er gefordert, der künftige Parteichef müsse auch einen Kabinettsposten in Berlin übernehmen. Herrmann wäre dazu bereit, gemeinsam mit seinem Chef schielt er aufs Innenministerium. Insofern könnte es auf den Kompromiss hinauslaufen, dass Seehofer erst mal Parteichef bleibt, Herrmann aber die CSU-Liste für die Bundestagswahl anführt – mit der Option auf mehr, wenn die Zeit reif ist. Söder hatte sich einem Wechsel in die Bundeshauptstadt beharrlich verweigert.

Eine Revolte gegen Seehofers Weitermachen ist nicht zu erwarten, dafür sind sie in der CSU zu diszipliniert, zumal in Wahlkampfzeiten. Auch Söder weiß, dass ihm Widerstand schlecht bekommen würde. Allerdings wäre Seehofer ein Parteichef auf Abruf. Und auch, dass er noch mal für eine volle Amtszeit von fünf Jahren als Ministerpräsident zur Verfügung steht, glaubt kaum einer. Schon zum Amtsantritt wäre er 69. Insofern wird es spannend, wie er kommunizieren will, dass ihn die Menschen wählen sollen, obwohl sie womöglich zur Halbzeit jemand ganz anderen als Regierungschef bekommen.

Seehofer legt einen Gesundheitscheck vor

Um letzte Zweifler zu beruhigen, wird Seehofer am Montag jedenfalls auch noch das Ergebnis eines umfassenden Gesundheitschecks präsentieren. „Pumperlgesund“ werde auf dem Attest stehen, ist man sich in seinem Umfeld sicher. Der 67-Jährige hält diesen Nachweis offenbar für nötig, nachdem er einmal schwer herzkrank gewesen und seine Konstitution zuletzt wieder häufiger infrage gestellt worden war. Den emeritierten Papst Benedikt hat er – auch das eine von Seehofers selbst in Umlauf gebrachten Geschichten – bei seiner jüngsten Visite am Ostermontag in Rom lieber nicht gefragt, ob er weitermachen solle. Das habe er nicht gewagt, so der Erzähler. „Weil, was hätte ich gemacht, wenn er gesagt hätte: Machen Sie es so wie ich. Was hätte ich dann gemacht?“

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