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Horst Seehofer

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Bayern: CSU-Abgeordnete zweifeln an Seehofers Qualitäten

Gut ein halbes Jahr ist Horst Seehofer nun bayerischer Ministerpräsident. Während er sich selbst auf einem guten Weg sieht, wächst in der CSU die Kritik am Regierungschef.

Gut ein halbes Jahr ist Horst Seehofer nun bayrischer Ministerpräsident. Während er sich selbst auf einem guten Weg sieht, wächst in der CSU die Kritik am Regierungschef. Viele Parteifreunde finden, dass er mit voreiligen Ankündigungen und sprunghaften Kurswechseln die Glaubwürdigkeit der Partei gefährdet. Der Chef dagegen ist mit sich zufrieden: Vor der CSU-Landtagsfraktion zog Horst Seehofer kürzlich hinter verschlossenen Türen seine persönliche Halbjahresbilanz. „Überzeugend wie immer“ sei seine Rede gewesen, berichtete ein Ohrenzeuge. Wortreich habe Seehofer dargelegt, wie sehr man unter seiner Führung wieder nach oben gekommen sei seit dem CSU-Debakel bei der Landtagswahl im vergangenen September.

Doch manchen CSU-Landtagsabgeordneten ging es dabei wohl wie vielen, die Seehofer schon im persönlichen Gespräch erlebt haben: Während er redet, erwischt man sich dabei, wie man zustimmend nickt. Doch schon wenig später fällt einem auf, dass die eigene Wahrnehmung der Realität eine ganz andere ist. „Es kann doch keine Rede davon sein, dass sich der Trend in Bayern zu unseren Gunsten dreht“, findet ein führendes Fraktionsmitglied. Im Gegenteil: Die Erfahrung vieler Landtagsabgeordneter sei vielmehr, dass die Partei gerade bei der Stammklientel weiter an Vertrauen verliert. Der Grund dafür liegt für einen unterfränkischen CSU-Mann auf der Hand: „Wir waren mal eine Partei, die für klare Prinzipien stand.“ Seehofer wechsle dagegen seine Politik je nach Stimmungslage und werfe auch für unausgegorene Vorstöße eherne Parteigrundsätze über Bord. „Wir schütteln manchmal nur noch den Kopf“, stöhnt ein alter CSU-Kämpe.

Ein gutes Beispiel, wie Seehofers Regierungsstil die eigenen Leute quälen kann, ist die von ihm losgetretene Debatte um das seit Jahren defizitäre kommunale Augsburger Zentralklinikum: Per Eintrag in das goldene Buch der Stadt versprach der Ministerpräsident den Augsburgern bei einem Besuch im Februar offenbar aus dem Bauch heraus eine geschätzt 250 Millionen Euro teure staatliche Uni-Klinik – mit drei Ausrufezeichen, aber ohne vorher mit dem zuständigen Ministerium, den CSU-Gesundheitsexperten oder den örtlichen CSU-Kommunalpolitikern auch nur gesprochen zu haben.

Die SPD-Opposition machte sich umgehend einen Spaß daraus, das fachlich wie finanziell unmögliche Vorhaben im Landtag in einen griffigen Antrag zu verwandeln. Die Freien Wähler sprangen auf und spotteten, sie könnten „dem SPD-Seehofer-Antrag“ durchaus zustimmen. Der CSU blieb da nur der groteske Versuch, mit einem Gegenantrag in langen und gewundenen Sätzen irgendwie für die versprochene Uni-Klinik zu sein – und diese gleichzeitig zu beerdigen. Den in Schwaben ohne Not verursachten politischen Flurschaden für die CSU dürfte diese Verrenkungsübung jedoch nicht beheben. Der CSU-Gesundheitsexperte Thomas Zimmermann fand deshalb klare Worte für seinen Regierungschef. „Ich glaube, dass unser Ministerpräsident Gedankengänge mit sich trägt, die nicht zu Ende gedacht sind“, formulierte er.

Eine Meinung, die unter vier Augen selbst CSU-Kabinettsmitglieder teilen – und die sich nicht auf den Augsburger Fall beschränkt. Denn um Wählern zu gefallen, schreckt Seehofer weder vor radikalen Kurswechseln noch vor teuren oder unerfüllbaren Ankündigungen zurück: Zürnenden Bauern verspricht er schnelle Hilfe durch einen neuen „Milchgipfel“. Den Beamten noch vor der Europawahl eine bis zu 300 Millionen Euro teure Reduzierung der Arbeitszeit. Bayerns Ärzte sollen nicht weniger verdienen, obwohl über das Honorarsystem die ärztliche Selbstverwaltung entscheidet. Und Bayerns Äcker sollen gentechnikfrei sein – obwohl das kurzfristig gar nicht geht und nach Ansicht des eigenen FDP-Wissenschaftsministers den Ruf Bayerns als Forschungsstandort gefährdet. Zwar tut Seehofer die bisher meist anonyme interne Kritik an seinem Stil als „Medienkampagne“ ab. Im Angesicht der für seine eigene politische Zukunft extrem wichtigen Europa- und Bundestagswahlen agiert er aber zunehmend dünnhäutig: Dass er etwa intern verkündete, einen Rausschmiss seiner Sozialministerin Christine Haderthauer aus dem Kabinett erwogen zu haben, nur weil diese öffentlich erklärt hatte, nicht alle Seiten des CSU-Säulenheiligen Franz Josef Strauß seien vorbildhaft gewesen, wertet man auch in der Landtags-CSU als Zeichen wachsender Nervosität. Dort vermutet man auch, Seehofers Politik in Bayern sei ohnehin kurzfristig angelegt. Dem Instinktpolitiker gehe es allein um schnelle Wahlerfolge, glaubt ein CSU-Fraktionsvorstand: „Es würde mich nicht wundern, wenn er aus dem Landtag bald wieder weg wäre. Und wir seine dünne Suppe dann allein auslöffeln müssen.“

Henry Stern[München]

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