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Umringt von begeisterten Anhängern. Königin Elizabeth II. bei ihrem Besuch im Jahr 2004 in Berlin.

© AFP

Begegnung mit Elizabeth II.: Die Königin und ich

Wie Elisabeth Binder ihre Begegnung mit Elizabeth II. in Berlin erlebte.

Als Elizabeth II. Königin wurde, hat meine spätere Mutter das im Kino in der Wochenschau miterlebt. Damals gab es nur in Ausnahmefällen Fernseher in Privathaushalten. An die Beatles und die Rolling Stones war noch nicht zu denken. Sie hat Edmund Hillary, den ersten Bezwinger des Mount Everest, zum Ritter geschlagen und mit John F. Kennedy zu Tisch gesessen. Diese Gedanken sind nicht geradezu angetan, meine Nervosität zu vertreiben, an diesem 2. November 2004.

240 festlich gekleidete Gäste warten im Zeughaus darauf, der Queen beim Defilee vor dem großen Staatsbankett vorgestellt zu werden. Und ich bin dabei. Oft schon habe ich sie aus der Ferne beobachtet. Für diesen Anlass habe ich extra ein schulterfreies bodenlanges fliederfarbenes Abendkleid ändern lassen. Die Farbe Flieder spielt eine tragende Rolle in der Botschaft in der Wilhelmstraße, die Elizabeth II. im Jahr 2000 eröffnet hat. Wenn man die Farben der britischen Flagge, Rot, Weiß und Blau, zusammenrührt, kommt dieser Ton heraus. Das hatte mir Michael Wilford, der Architekt der Botschaft, einmal erklärt. Als die Queen pünktlich um 20 Uhr mit Prinz Philip das Zeughaus betritt, trägt sie zu meiner Überraschung ebenfalls ein fliederfarbenes Kleid, dunkler als meines allerdings und mit langen Ärmeln. Eine kluge Wahl, wie sich später herausstellen wird. „Werden Sie einen Knicks machen?“, hatte mich der damalige britische Botschafter vorab gefragt. Die Frage wird unmittelbar bevor es ernst wird auch von den umstehenden Gästen diskutiert. Einerseits ist man ja kein Monarchist, andererseits, wenn es das Protokoll verlangt … Sie ist ja fast schon eine Ikone der Weltgeschichte, da kann man schon mal über den eigenen Schatten springen. Und es gab immer Stimmen, die sie in der Zeit der Alliierten in Berlin auch als Staatsoberhaupt des britischen Sektors gesehen haben. Bis zur Wiedervereinigung war sie nach dieser Sichtweise zum Beispiel auch Königin von Spandau. In jenen Jahren war das, als es einmal jährlich eine große Militärparade auf der Straße des 17. Juni gab. Damals beobachtete ich die Ehrentribüne mit den Stadtkommandanten aus der Ferne. Wer in jenen Jahren etwas zählte in der Berliner Gesellschaft, war dort zu Gast.

Wie hält sich eigentlich das schwer wirkende Diadem auf ihrem Kopf? Ich nehme mir vor, einen Blick zu riskieren, wenn es so weit ist. Prinzessin Caroline von Monaco versinkt derweil in einem vollendeten Hofknicks vor der Queen, mit der sie durch ihren Ehemann Prinz Ernst August von Hannover weitläufig verwandt ist. Auf jeden Fall muss man warten, bis die Königin die Hand ausstreckt und etwas sagt. Was, wenn sich der Inhalt meines Abendtäschchens mit dem labilen Verschluss vor ihr über den Teppich ergießt? Und warum zum Teufel macht es einen so nervös, einer alten Dame die Hand zu schütteln?

Dann geht alles ganz schnell. Der Protokollchef des Auswärtigen Amtes ruft laut meinen Namen, sie streckt die Hand mit dem weißen Handschuh aus, die ich vorsichtig ergreife. 240 Hände am laufenden Band zu schütteln, kann mit 78 nicht leicht sein, auch wenn man ein Leben lang Übung darin hat. Ihre Handtasche baumelt am anderen Arm.

Der leicht angedeutete Knicks kommt dann fast automatisch: „Good evening, Your Majesty“. Vor lauter Staunen darüber, dass Prinz Philip viel kleiner ist, als ich ihn mir vorgestellt hatte, vergesse ich, nach dem Diadem zu schauen.

Beim anschließenden Dinner im Schlüterhof spielt ein Barockensemble Händels „Einzug der Königin von Sheba“. Es zieht in dem riesigen Raum, und ich schlottere zwischen meinen Tischherren. Die Queen erzählt, wie sie in ihrem eigenen Leben erfahren habe, „wie wir von Krieg zu Frieden, von Partnerschaft zu enger Freundschaft vorangeschritten sind“, und dass man das „gebührend feiern wolle“. Trotz der langen Ärmel an ihrem Kleid spürt die Queen den Zug im Raum ebenfalls. Als der Protokollchef sie am Ende des Abends verabschiedet, ergänzt sie ihren Dank um die Bemerkung: „It was a bit chilly.“

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