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Politik: Beim Atomausstieg bleibt die SPD hart

Energieexperte Scheer: Stromkonzerne haben längst Milliarden daran verdient / Spitzengespräch geplant

Berlin - Im Streit um die Zukunft von Atom- und Windkraft steuern die Verhandler von CDU und SPD immer tiefer in die Sackgasse. Während die Union gemeinsam mit den Betreiberunternehmen auf die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke drängt, pocht die SPD-Seite auf die Erfüllung der vor fünf Jahren getroffenen Ausstiegsvereinbarung mit den vier großen Stromkonzernen. Gleichzeitig will die Union den Bau von Windgeneratoren im Binnenland stoppen, die SPD dagegen an der bisherigen Praxis festhalten. Um einen Ausweg zu finden, werden der designierte Wirtschaftsminister Edmund Stoiber (CSU) und sein künftiger Kollege vom Umweltressort, Sigmar Gabriel (SPD), heute oder spätestens morgen zu einem Vieraugen-Gespräch zusammentreffen, bestätigte Stoibers Sprecher Manfred Frühauf.

„Der Vertrag mit der Wirtschaft zum Atomausstieg muss gelten, wie er vereinbart wurde“, hatte SPD-Chef Franz Müntefering am Sonntag noch einmal bekräftigt. Die harte Haltung begründete der SPD-Energiepolitiker Hermann Scheer im Gespräch mit dem Tagesspiegel „mit den milliardenschweren Zugeständnissen“, die den Atomkraftbetreibern von der Bundesregierung bereits gewährt worden seien.

Tatsächlich hat sich die Bundesregierung in der Vereinbarung vom Juni 2000 verpflichtet, weder durch Sicherheitsauflagen noch durch Änderungen im Steuerrecht die Wirtschaftlichkeit von Atomstrom zu mindern. In der Folge blieb den Betreibern die kostspielige Nachrüstung der Altmeiler in Biblis, Neckarwestheimund Brunsbüttel erspart.

Zudem konnten sie die Kosten für die Versicherung ihrer Atomkraftwerke gering halten. Obwohl ein Super-Gau in einem deutschen Atomkraftwerk schnell einen Schaden im zweistelligen Milliardenbereich verursachen könnte, müssen die Betreiber sich lediglich gegen Forderungen von 500 Millionen Euro versichern. Rot-Grün verpflichtete sie zwar, gemeinsam für Schäden bis zu 2,5 Milliarden Euro zu haften. Doch den Nachweis, dass diese Summe auch durch Versicherungsverträge gedeckt ist, müssen die Atomstromer nicht führen. Schließlich verzichtete die SPD sogar auf die ursprünglich geplante Kürzung der steuerfreien Rückstellungen für die Entsorgung. Darum konnten die vier Unternehmen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW bereits 30 Milliarden Euro Gewinn von der Steuer freistellen und damit ihre weltweite Expansion finanzieren. Als die EU-Kommission 2002 gegen diese Praxis vorgehen wollte, stellten sich ausgerechnet die rot-grünen Atom- aussteiger quer.

Insofern sei klar, „dass die Stromkonzerne längst einige Milliarden Euro mit dem Ausstieg verdient haben“, sagte Scheer. Wenn Sie nun mit Hilfe der CDU ihre Gegenleistung, die Kürzung der Laufzeit von 40 auf 32 Jahre, zurücknähmen, dann seien sie „unseriös und nicht mehr vertragsfähig“. Denn absehbar sei ja schon, dass sie alsbald eine Verlängerung auf 60 Jahre fordern würden. Ein Nachgeben jetzt führe „zum Wiedereinstieg in die Atomenergie“, warnte Scheer.

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