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Politik: Belastende Entlastung

Union und Grüne bewerten die Aussagen des ersten Sachzeugen im Ausschuss gegensätzlich

Von Hans Monath

Berlin - Der erste Zeuge zur Sache war nach vier Stunden Aussage gerade entlassen worden, da wussten Verteidiger und Angreifer im Visa-Ausschuss schon ganz genau, was der Tag gebracht hatte – und das, obwohl zwei weitere Zeugen noch gar nicht aufgerufen waren: „Wie Butter in der Sonne“ sei die Verteidigungsstrategie Joschka Fischers geschmolzen, verkündete Unions-Obmann Eckart von Klaeden (CDU). Nicht weniger vollmundig bilanzierte sein Gegenspieler von den Grünen, Jerzy Montag: „Diese Aussage hat die Bundesregierung entlastet.“

Tatsächlich lieferte der BKA-Beamte Lars Rückheim am Donnerstag als erster Sachzeuge im Visa-Ausschuss den Fischer-Kritikern im Gremium einige Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen, trug aber wenig Belastbares bei zur Beantwortung der heiklen Frage, wann und wie Warnungen vor Misständen direkt an die politisch Verantwortlichen im Auswärtigen Amt (AA) und im Bundesinnenministerium übermittelt worden waren. Auch zum Umfang des möglichen volkswirtschaftlichen Schadens oder zum Anteil von Schwarzarbeitern unter den mit illegalen Visa Eingereisten konnte der Kriminalbeamte wenig beitragen, der sich streng an gesicherte Erkenntnisse hielt.

Dabei hatte sich Rückheim als Autor des im Wesentlichen im Dezember 2003 abgeschlossenen „Wostok“-Berichts des BKA über Strukturen der Schleuserkriminalität schon im Jahr 2000 mit der Matrie befasst. Der Kriminalhauptkommissar unternahm in diesem Zusammenhang im Februar 2001 eine Dienstreise nach Kiew und sprach dort auch mit Mitarbeitern der Visastelle. Diese bezeichneten ihm gegenüber damals die AA-Erlasse aus den Jahren 1999 und 2000 als „einen der Gründe“ für den starken Anstieg der Visazahlen innerhalb eines Jahres bis 2001 um 130 Prozent. In seinem eigenen Bericht machte Rückheim aber die „Erlasslage“ des AA nicht für die Fehlenwicklung verantwortlich. Vielmehr bescheinigt der Bericht der Bundesregierung, dass sie reagiert und so Missstände beseitigt habe.

Zu Spekulationen, wie hoch der Anteil der Schwarzarbeiter oder zu Zwangszahlungen Erpressten unter den mit illegalen Visa Eingereisten war, ließ sich der Beamte nicht verleiten. Er gehe nicht davon aus, dass sämtliche mit gefälschten Visa ausgestatteten Eingereisten eine illegale Beschäftigung im Sinn gehabt hätten, sagte er lediglich. Auch zur Frage, wie lange sie sich im Westen aufgehalten hätten, gebe es keine genaue Untersuchung, sondern nur Hinweise. So hatten die Menschen, die wegen abgelaufener Visa von der Polizei aufgegriffen wurden, ihr Visum „in der Regel um einige Monate bis zu einem Jahr überschritten“.

Die Schleuser arbeiteten nach den Erkenntnissen des BKA-Beamten auch an anderen Botschaften westlicher Staaten in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Visa-Erschleichung habe auch für diese ein Problem dargestellt. Allerdings bestätigt der Zeuge, dass ihm ein Bericht des Bundesgrenzschutzes bekannt sei, wonach von 16000 unter falschen Angaben erschlichenen Visa 15000 aus deutschen Botschaften stammten. Unter den Tätern, gegen die ermittelt wird, ist nach Rückheims Erkenntnissen eine große Zahl von Personen, die entweder als Spätaussielder oder Kontingentflüchtlinge nach Deutschland gekommen waren oder verwandtschaftliche Beziehungen in die Ukraine unterhielten.

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