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Belgien: Entsetzen über rassistische Morde

Belgien steht nach den Schüssen eines rassistischen Gewalttäters in Antwerpen unter Schock. Bei dem Verbrechen wurden eine Frau afrikanischer Abstammung und ein zweijähriges Mädchen getötet und eine Türkin schwer verletzt.

Brüssel/Antwerpen - Ein 18-Jähriger in Springerstiefeln und schwarzem Mantel lässt sich den Schädel rasieren, kauft für 500 Euro ein Jagdgewehr mit 20 Kugeln und schießt kurz danach kaltblütig auf drei Menschen: Ein afrikanisches Au-pair-Mädchen und ein zwei Jahre altes Kind sterben. Eine Türkin, die vor einem flämischen Sprachzentrum ein Buch liest, wird schwer verletzt. Das Verbrechen, verübt am sonnigen Donnerstagvormittag mitten in Antwerpen, stürzt Belgien in eine neue Debatte über Rassismus und Fremdenhass.

«Jeder kann jetzt sehen, wozu Rechtsextremismus führen kann», sagte der sichtlich schockierte Regierungschef Guy Verhofstadt nach dem traurigen Höhepunkt fremdenfeindlicher Taten der vergangenen Wochen. Da hatte die Staatsanwaltschaft den Täter, der mit einem Bauchschuss im Krankenhaus lag, noch nicht zu seinen Motiven verhört. Klar war aber: Der Tierpflegeschüler trug zur Tatzeit rechtsextremes Propagandamaterial bei sich, suchte seine Opfer offenbar nach der Hautfarbe aus. Eine Tante des Schützen sitzt für die offen fremdenfeindliche Flamen-Partei Vlaams Belang im Parlament.

Antwerpen als Hochburg der Fremdenfeindlichkeit

Die Spitzen des früheren Vlams Blok wiesen umgehend jede Verantwortung für das Verbrechen von sich. Doch Vertreter der demokratischen Parteien meinen, nun gehe die Saat der Ausländerhasser auf. Mit dem Slogan «Eigen volk eerst» (Das eigene Volk zuerst) ist der Vlaams Belang zur größten Partei in Antwerpen geworden. Auf Flugblättern fordern die flämischen Separatisten unter der Abbildung brennender Autos «Stoppt die Einwanderung» und ziehen über kriminelle Jugendliche mit fremden Namen und Asylbewerber her.

Moralische und praktische Unterstützung bekommen abgelehnte Asylbewerber und andere Ausländer ohne gültige Aufenthaltspapiere hingegen von der katholischen Kirche. Deren Bischöfe äußerten fast zeitgleich mit der Wahnsinnstat von Antwerpen ihr Verständnis für die zunehmenden Kirchenbesetzungen im Land. In rund 30 Gotteshäusern und einigen Moscheen haben hunderte Menschen derzeit Zuflucht gesucht. Sie fordern ein Bleiberecht. In einem Brüsseler Asylbewerberheim sind 80 abgelehnte Bewerber seit Tagen gar im Hungerstreik.

Auch viele Belgier setzen sich für die Zugewanderten ein. In verschiedenen Städten sorgen Unterstützergruppen für Nahrung, Seife und Öffentlichkeit. Juristen fordern ein Bleiberecht für alle Menschen, die mindestens drei Jahre in Belgien sind. Viele Bewerber warten wegen des schleppenden Fortgangs ihrer Verfahren schon länger auf eine Entscheidung - und dies, obwohl die Zahl der Asylbewerber wie in Deutschland auch in Belgien seit Jahren sinkt.

Innenminister Patrick Dewael lassen die Aufrufe bislang kalt. Der Parteifreund des Liberalen Verhofstadt laviert zwischen positiven Bescheiden im Einzelfall und einer insgesamt unnachgiebigen Abschiebepraxis für illegale Einwanderer. Erstmals erlaubte Dewael jüngst Aufnahmen in belgischen Abschiebegefängnissen - für einen Film des kongolesischen Journalisten Zacharie Bababaswe mit dem Titel «Vanda na Mboko» (Bleib in deinem Land). Bilder vom Blutbad in Antwerpen waren in dem Dokumentarstreifen allerdings nicht eingeplant. (Von Roland Siegloff, dpa)

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