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Belgische Gesundheitsministerin: Dickes Vorbild

Darf eine Gesundheitsministerin stark übergewichtig sein? In Belgien erhitzen sich gerade die Gemüter über den Leibesumfang von Maggie de Block. Eine Kolumne

Eine Kolumne von Helmut Schümann

Ich bin 172 Zentimeter klein. Oder groß, das ist eine Frage der Perspektive und der Ausgangslage, also der vererbten Wachstumsgene. Bei 72 Kilogramm Lebendgewicht wird man mir nicht vorwerfen können, adipös zu sein. Die Frage, ob diese Maße ideale oder schlechte Maße für einen Kolumnisten sind, ist nicht so absurd, wie sie zu sein scheint. Es ist die alte Frage, ob man sich mit dem Hintern in eine heiße Pfanne setzen muss, um sich vorstellen zu können, dass es einem Schnitzel ganz schön warm wird beim Braten.

Und so eine Frage wird gerade in Belgien, dem Land der Pommes mit Mayo, diskutiert. Nämlich die Frage, ob Maggie De Block, Ministerin für Gesundheit und Soziales, bleiben darf. Es geht weniger um das Soziale, mehr um die Gesundheit. Maggie ist 52 Jahre alt, liberal, Mutter zweier Kinder, seit 30 Jahren verheiratet, war früher Hausärztin und Staatssekretärin für Asyl- und Migrationspolitik. Maggie wiegt mehr als 100 Kilogramm, manche sagen 120, andere 130. Maggie ist fett.

Wein saufen und Wasser predigen, geht allerdings nicht

Obwohl sie sagt, dass sie sich mit viel Fisch und Schalentieren und Gemüse ausgewogen und bewusst ernährt, taugt sie auf den ersten Blick eher nicht als Schirmherrin einer Kampagne gegen Fettleibigkeit. Aber warum eigentlich nicht? Muss unsere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen schießen können? Muss ein Verkehrsminister den Führerschein haben? Vielleicht ist es sogar besser, wenn nicht, zumal er ohnehin meistens mit Chauffeur fährt, weil er im Fond sitzend und Akten durchblätternd den Verkehr regeln muss. Und welchen CO2-Ausstoß darf ein Umweltminister produzieren? Natürlich ist es von Vorteil, wenn er mit dem Fahrrad ins Ministerium fährt. Aber muss er deswegen mit der Draisine fahren und schwimmen, wenn er auf Mallorca Urlaub machen will?

Es ist eben anders, als beim Wein saufenden und Wasser predigenden Pfarrer. Letzteres ist bigott. Die anderen Beispiele schließen sich nicht aus. Kein noch so überzeugter Raucher, wird, wenn er noch bei Trost ist, ernsthaft die gesundheitsfördernde Kraft des Rauchens preisen. Auch ein Fußballtrainer muss nicht zwingend früher mehrfacher Welt- und Europameister gewesen sein, um als Guter zu brillieren. Manchmal ist das sogar hinderlich, wie das Beispiel des Weltmeisters im Heiraten von Unterwäschemodels, Lothar Matthäus, zeigt.

Und, um zurückzukommen zu Maggie De Block: Sie wird nicht und hat nie ihr Fettsein als größtes anzustrebendes Glück propagiert. Am Ende bleibt in der ganzen belgischen Debatte nur die Diskriminierung von dicken Menschen. Ich bin froh, nicht adipös zu sein.

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